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Hier stellen wir Euch Woche für Woche interessante Formen des Ehrenamts aus allen Regierungsbezirken Bayerns vor! Kennt auch Ihr jemanden, der für diese Rubrik passend wäre? Dann schreibt uns an: ehrenamtsbeauftragte@stmas.bayern.de!
22. Dezember 2020 - Verein Bamberger Krippenfreunde
Das Christkind, Maria, Josef und Ochs und Esel in einem Stall. Daneben die Heiligen Drei Könige. Alpenländisch oder orientalisch. So schauen viele Krippen unter dem Christbaum in Bayern aus. Dass diese Tradition nicht ausstirbt, darum kümmern sich Ehrenamtliche wie die Mitglieder des Vereins „Bamberger Krippenfreunde“. Deshalb stellt die Rubrik "Ehrenamt der Woche" kurz vor Weihnachten die Bamberger Krippenfreunde näher vor.
Der Verein Bamberger Krippenfreunde feierte im vergangenen Jahr sein 100-jähriges Bestehen und hat etwa 320 Mitglieder. Viele von ihnen engagieren sich aktiv, um die Krippentradition zu erhalten, gemäß dem Motto: „In jedes christliche Heim eine Krippe.“
Sie restaurieren Krippen und kümmern sich um den Bamberger Krippenweg, bei dem jährlich über 100 Krippen, auf 30 Stationen verteilt, ausgestellt werden. Darüber hinaus veranstalten die Mitglieder ehrenamtlich Krippenbaukurse, so dass sich interessierte Menschen zu Weihnachten selbst eine Krippe bauen und die Tradition fortführen können.
So entwickelte sich Bamberg - nicht zuletzt auch in neuester Zeit durch die Einführung des Krippenweges - zur Krippenstadt. Es bleibt aber auch festzuhalten, dass sich in Bamberg 1803 das sogenannte Krippenverbot des Churfürstlichen Generalkommissariats erlassen wurde. Die Aufhebung dieses Erlasses durch die Regierung Ludwig I. erfolgte erst 22 Jahre später.
Der Einzug der Krippen in die Privathäuser dauerte dennoch viele Jahre. Sicherlich auch eine Folge der Säkularisation, die früheres Krippengut in Vergessenheit geraten ließ und dieses erst viele Jahre später auf den Dachböden wiederentdeckt und neu aufbereitet werden musste.
Wir danken den Bamberger Krippenfreunden für die Bereitstellung der Fotos. Die Urheberrechte der Fotos liegt beim Verein Bamberger Krippenfreunde.
Ronja, Chili, Floki und viele weitere Vierbeiner sind zur Stelle, wenn ein Retter in Bergnot gebraucht wird. Denn sie sind die Lawinenhunde der Lawinenhundestaffel Hochland der Bergwacht Bayern. Die Hunde und ihre Führer unter Leitung von Staffelleiter Günter Fleischer sind 365 Tage im Jahr in Rufbereitschaft, um von Lawinen verschüttete Menschen oder vermisste Bergsteiger zu retten. Deshalb wird zum Jahresende die Lawinenhundestaffel Hochland zum „Ehrenamt der Woche“ gekürt.
Die Lawinenhundeführer der Region Hochland der Bergwacht Bayern sind 365 Tage im Jahr täglich 24 Stunden vom Zugspitzmassiv über das Mangfallgebirge bis zu den Chiemgauer Alpen einsatzbereit. Im Sommer suchen die Teams der Lawinenhundestaffel vermisste Wanderer und Bergsteiger, im Winter werden die Engagierten zu Lawinenabgängen gerufen, um Verschüttete zu retten, denn ausgebildete Suchhunde können einen Menschen noch unter bis zu fünf Meter hohen Schnee wittern. Deshalb sind sie trotz moderner Technik unverzichtbar und immer das erste Einsatzmittel bei einem Lawinenunfall.
Die Lawinenhundestaffel Hochland wurde vor etwa 75 Jahren in Farchant gegründet und hat derzeit 19 aktive und ein passives Mitglied. Nur fertig ausgebildete Bergwachtler können die vierjährige Ausbildung zum Lawinensuchhundeführer absolvieren.
Die Hunde sind privater Besitz der Hundeführer und im täglichen Leben der Hundeführer ständiger Begleiter. Die Tiere sollten mittelgroße Arbeitshunde, die ein sehr gutes wetterfestes Fellkleid haben, nervenstark und gut sozialisiert sein.
Für die Hunde beginnt die Ausbildung als Junghund im Alter von etwa sechs Monaten, ab diesem Alter lernen sie spielerisch eine vermisste oder verschüttete Person zu suchen. Ab dann wird die Ausbildung immer weiter gesteigert und die Tiere arbeiten sich durch die Stufen A-, B-, C- und CW-Hund.
Zweimal pro Jahr absolviert das Mensch/Hund-Team eine Prüfung - ist der Hund bereits ein CW-Hund, erfolgt die Prüfung jährlich. Für die durchschnittlich 15 Einsätze im Jahr pro Hund-Mensch-Team, trainieren die Tiere mit ihren ehrenamtlichen Frauchen und Herrchen mindestens einmal pro Woche.
Sie sind das Christkind für viele Kinder in Osteuropa. Deshalb wird in dieser Woche der „Round Table 13“ aus München zum „Ehrenamt der Woche“ gekürt. Neben zahlreichen Projekten das ganze Jahr über haben die jungen Männer bis 40 Jahre die diesjährige Federführung des Weihnachtspäckchenkonvoi in der Region München übernommen. Deutschlandweit werden in diesem Jahr trotz der schwierigen Bedingungen über 140.000 Weihnachtspäckchen nach Rumänien, Bulgarien oder Moldawien geschickt. Der Konvoi ist seit Nikolaus auf dem Weg und der „Round Table 13“ hat mit der Organisation über 3800 Päckchen in der Region München gesammelt.
Die Idee und der Ursprung des „Round Table“ stammen aus Großbritannien. Männer bis 40 Jahre vernetzen sich politisch und konfessionell unabhängig, pflegen Freundschaften und engagieren sich ehrenamtlich. An seinem 40. Geburtstag tritt „mann“ anschließend in den „Old Tabler“ ein. Das weibliche Pendant zum „Round Table“ ist der „Ladies Circle“ und der nachfolgende „Tangent Club“.
In Deutschland existieren etwa 230 Tische mit rund 3800 Mitgliedern. Dieses Verhältnis rührt daher, dass ein „Round Table“ etwa 20 bis 25 Mitglieder hat. „Sonst wird es zu viel“, erklärt Matthias von Schütz, Präsident des Round Table 13 aus München. Gebe es mehr Interessierte, die in einem Ort oder in einer Region in einen Tisch aufgenommen werden wollen, bestehe die Möglichkeit, einen neuen Tisch zu gründen. Der „Round Table 13“ aus München war 1959 der erste Tisch in Bayern, neben ihm gibt es in München einen weiteren sowie in ganz Bayern etwa 25 Tische.
Jedes Jahr stellen drei Tische jeweils ein wohltätiges Projekt vor, zu dem der jeweilige Tisch die Idee hat. Ein Projekt davon wird ausgewählt und zum „nationalen Serviceprojekt“ ernannt, welches die anderen Tische für ein Jahr aufgreifen. Ist es erfolgreich, läuft es weiter.
2001 stellte ein Round Table die Idee des Weihnachtspäckchenkonvois vor. Die Aktion wurde ein voller Erfolg, bis heute wächst sie stetig. In diesem Jahr organisierte der „Round Table 13“ das Projekt für die Region München. 2001 sammelten die Helfer 100 Päckchen, in diesem Jahr sind über 140.000 Weihnachtsgeschenkpäckchen zusammengekommen, die die Round Tabler, die Old Tabler, die Mitglieder des Ladies Circle und des Tangent Club in ganz Deutschland gesammelt haben. Im Moment sind die Weihnachtsgeschenke in knapp 40 Fahrzeugen auf dem Weg in entlegene und ländliche Regionen Rumäniens, Bulgariens, Moldawiens und der Ukraine – dort wo die Armut eklatant ist.
Matthias von Schütz begleitete den Konvoi im vergangenen Jahr und war dabei als die Geschenke verteilt wurden. „Die Kinder freuen sich so sehr über die Geschenke. Wie wichtig sie für sie sind, zeigte sich bei der Begeisterung über die in den Päckchen enthaltenen Alltagsdinge wie den Zahnbürsten. Darüber haben sich die Kinder mehr gefreut als über die Schokolade.“
Aber nicht nur an Weihnachten engagieren sich die „Tabler“ aus München wohltätig. So organisieren die Männer seit knapp 40 Jahren eine Kunstauktion, bei der 50 Prozent des Werkerlöses an den Künstler und 50 Prozent an eine unterstützenswerte Einrichtung wie zum Beispiel die Klinik-Clowns Bayern e. V. gehen. Bei „Raus aus dem toten Winkel“ fahren die Münchner Round Tabler mit einem LKW an Schulen, stellen ganze Schulklassen in den toten Winkel während jeweils ein Schulkind hinter dem Steuer des stehenden LKW sitzt und im Spiegel sieht, dass es nichts sieht. „Durch diese Präventionsmaßnahme können wir Kinder gut für dieses Thema sensibilisieren“, weiß von Schütz. Beim diesjährigen Seviceprojekt sammeln die Round Tabler in Kindergärten alte, abgenagte Plastikbecher ein und spenden stattdessen hochwertige, hygienische und langlebige Edelstahlbecher, aus denen die Kinder trinken können.
Außerhalb von Corona-Zeiten treffen sich die Round Tabler alle zwei Wochen. Beim offiziellen Teil werden die wohltätigen Projekte besprochen, danach Freundschaften und das gesellige Miteinander gepflegt. Diese sozialen Komponenten leben die Tabler aber nicht nur innerhalb des Tisches, sondern bundes- europa- und weltweit. Beispielsweise beim „World-Meeting“ oder bei den Treffen der Nummern. „Da kommen zum Beispiel alle 13er Tische“, erklärt Matthias von Schütz. Bei der Nummer 13 - die Nummerierungen sind fortlaufend nach Gründung der Tische – treffen sich Tische aus Deutschland, Finnland, Estland, Indien oder Großbritannien jeweils in einem der Gastgeberländer. „Auch die internationale Verständigung ist ein ganz wichtiges Ziel von Round Table“, sagt Matthias von Schütz.
25. November 2020 – Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen: Terre des Femmes – Engagement der Städtegruppe Regensburg
Vergewaltigung, Schläge, psychische Gewalt, Genitalverstümmelung, Zwangsheirat – Gewalt an Frauen hat viele Formen und die Liste dieser Formen ist lang. „Terre des Femmes. Menschenrechte für die Frau“ mit in Sitz in Berlin wurde wegen dieser Missstände 1981 gegründet, mit dem Ziel, die Gesellschaft aufzuklären und die Menschenrechtsverletzungen an Mädchen und Frauen anzuprangern. Ausgehend davon engagieren sich viele ehrenamtliche Frauen in Hochschul- und Städtegruppen, eine davon ist die Städtegruppe Regensburg mit ihrer Koordinatorin Regina Hellwig-Schmid. Anlässlich des Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November stellen wir das Engagement von die „Terre des Femmes – Städtegruppe Regensburg“ mit Regina Hellwig-Schmid näher vor.
„Gewalt gegen Frauen zerstört! Jede, jeden, jedes“ – das ist der Motor, den Regina Hellwig-Schmid antreibt, sich ehrenamtlich bei „Terre des Femmes“ zu engagieren. Seit 2019 koordiniert sie zusammen mit ihrer Tochter Patrizia Schmid-Fellerer die Städtegruppe. Dabei ist sie seit der Gründung 2013. Die Städtegruppen von „Terre des Femmes“ sind Netzwerke, die die Themen der übergeordneten Organisation weiter in die Gesellschaft kanalisieren. Sie organisieren Vortragsabende, Plakataktionen und Öffentlichkeitsarbeit, um möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass Gewalt an Frauen überall gegenwärtig ist. Alle vier Wochen trifft sich die Städtegruppe Regensburg zum Gedankenaustausch – mit dabei sind Vertreterinnen aus allen Institutionen, die unmittelbar mit Gewalt an Frauen zu tun haben. Also zum Beispiel Politik, Frauenhäuser, Beratungsstellen. „Wir sind eine Gemeinschaft“, sagt Regina Hellwig-Schmid. Sie betont: „Terre des Femmes selbst ist keine Beratungsstelle. Wir vernetzen, machen aufmerksam und leiten hilfesuchende Frauen zu den richtigen Stellen weiter.“ Terre des Femmes hilft also, indem die freiwilligen Helferinnen um Regina Hellwig-Schmid immer wieder deutlich machen, dass geholfen werden kann, dass geholfen werden muss und dass das, was vielen Frauen wiederfährt - Gewalt, Zwangsheirat, Femizide, Genitalverstümmelung – eben keine Traditionen sind oder irgendetwas, das Frauen hinnehmen müssten, sondern eben nur eines: Schlimme Verbrechen!
Rund um den 25. November zeigt die Städtegruppe mit einer Aktion „Flagge“. Mehrere Fahnen mit dem Motiv einer Frau und dem Schriftzug „Frei leben ohne Gewalt“ wehen in und um Regensburg.
Andere Aktionen der Städtegruppe sind Vortragsabende, die hautnah ablaufen, um Emotionen zu wecken und Einblicke zu gewinnen. Zum Thema Genitalverstümmelung zeigte die Organisation einen Film und lud dazu die Regisseurin ein, die selbst betroffen ist. Dazu deren Mutter, die das zugelassen hatte. „Authentizität ist uns wichtig“, betont Regina Hellwig-Schmid.
Für Referentinnen, Veranstaltungspartnerschaften und andere ideelle Hilfen kann Regina Hellwig-Schmid immer auf die Ressourcen der übergeordneten Organisation „Terre des Femmes“ in Berlin zurückgreifen. „Wir sind nur stark, wenn wir alle Kompetenzen zusammenbringen,“ sagt Regina Hellwig-Schmid. „Wir Städtegruppen sind Multiplikatoren. Und wir sind vor Ort.“
Der harte Kern der Städtegruppe Regensburg sind zwölf Mitfrauen, also Frauen, die in Terre des Femmes Mitfrauen sind (Bei Terre des Femmes gibt es keine Mitglieder, aber Unterstützer und Mitfrauen). Darüber hinaus engagieren sich über zwei Dutzend junge Frauen der Universität Regensburg. Alle, so Hellwig-Schmid, haben dasselbe Ziel: Keine Gewalt an Mädchen und Frauen! Sie ist sich sicher: „Je mehr wir aufmerksam machen, desto mehr können wir gewinnen“.
Benny hört geduldig zu. Benny lacht nicht aus. Benny kritisiert nicht. Denn Benny ist ein Lesehund der Johanniter. Zusammen mit seinem Frauchen Pia Schlaug besucht er einmal pro Woche eine Grundschule im Landkreis Bamberg und lässt sich von einem Schüler mit Leseschwäche spannende Geschichten vorlesen, damit der Junge seine Lesefähigkeit verbessern kann. Deshalb werden anlässlich des bundesweiten Vorlesetags am 20. November Pia Schlaug und Benny sowie das Lesehund-Projekt der Johanniter zum „Ehrenamt der Woche“ gekürt.
„Lesen ist so elementar wichtig“, sagt Pia Schlaug. „Meine beiden Kinder lesen so gerne und deshalb möchte ich anderen Kindern die Freude am Lesen vermitteln.“ Das ist der Grund, warum sich Pia Schlaug sofort für das Projekt „Lesehund“ der Johanniter begeistert zeigte, als sie davon gelesen hatte. Sie absolvierte 2018 zusammen mit ihrem Labrador Benny die Lesehund-Ausbildung. Seitdem ist sie mit ihm an einer Schule im Landkreis Bamberg im Einsatz und bildet selbst Lesehund-Teams aus, die aus Hund und Herrchen/Frauchen bestehen, was aber derzeit leider wegen der Pandemie eingeschränkt ist. „Obwohl wir noch viel mehr Teams bräuchten“, betont Pia Schlaug. Rund 16 Teams sind in Oberfranken unterwegs. In Mittelfranken sind es 20 Teams.
Ein Team besucht mindestens ein halbes Jahr einmal pro Woche immer dieselbe Schule und dasselbe Kind – gegebenenfalls noch ein zweites Kind im Anschluss. „Damit sich das Kind an den Hund gewöhnt. Ein Hund sollte nicht länger als eine Stunde im Einsatz sein.“ An der Schule wird das Kind für 20 Minuten aus der Klasse rausgenommen und der Hund und das Kind machen es sich in einem extra Raum gemütlich. Der Hundehalter sitzt im selben Raum, hält sich aber im Hintergrund. Das Kind beginnt zu lesen, streichelt das Fell des Hundes und das Tier liegt entspannt daneben. „Das wirkt sich nicht nur auf die Lesefähigkeit aus, sondern auf die ganze Persönlichkeit des Kindes“, weiß Pia Schlaug. „Der Hund tut so gut für die Seele.“ Was Pia Schlaug schon oft beobachtet hat: „Will ein Wort nicht über die Lippen kommen, weil es besonders schwer zu lesen ist, streichelt das Kind Bennys Kopf und schon kommt das Wort automatisch.“
Die Kinder lesen Benny zum Beispiel Rittergeschichten oder die Abenteuer der Hexe Petronella Apfelmus vor. Beliebt bei Hund und Kindern ist das Buch des Bamberger Autoren Paul Maar „Snuffi Hartenstein und sein ziemlich dicker Freund“. Natürlich eine Hundegeschichte. Die Bücher sind zum Teil an der Schule, werden gespendet oder Pia Schlaug bringt sie von zu Hause mit.
Interessierte Frauchen oder Herrchen besuchen mit ihrem potentiellen Lesehund zunächst ein „Casting“, bei dem entschieden wird, ob sie an der Ausbildung zum Lesehund teilnehmen können. Dort wird zum Beispiel die Stressresidenz des Hundes, seine Sozialverträglichkeit mit Artgenossen und seine Reaktionen mit Geräuschen beobachtet. Wird das Team zur Ausbildung zugelassen, dauert diese drei Tage. Ein Hund muss dafür mindestens zwei Jahre alt sein.
Pia Schlaug ist stolz auf ihr oberfränkisches Lesehund-Team. „Das ist ein ganz tolle Truppe“, sagt sie. „Alle machen das aus innerster Überzeugung und Herzblut.“ Sie selbst übt ihr Ehrenamt mit unendlicher Begeisterung aus. Das ist bei ihren Erzählungen sofort hörbar. Sie hofft, noch mehr Lesehund-Teams zu finden und dass sich auch in anderen Regionen Bayerns das Projekt „Lesehund“ ausweitet. „Der Bedarf ist da“.
Unter diesem Link gibt es weitere Informationen zu Lesehunden in Oberfranken
Unter diesem Link gibt weitere Informationen zu Lesehunden in Mittelfranken.
13. November 2020 – Selbsthilfegruppe, für Frauen, die traumatische Geburten erlebt haben
„Es ist nicht egal, wie wir gebären. Es ist nicht egal, wie wir geboren werden.“ Das ist der Leitsatz der Selbsthilfegruppe „Rosenmütter – Nordost-Oberfranken“ unter Leitung von Anna Mai. Die Teilnehmerinnen haben alle Geburtstrauma erlitten und unterstützen sich in der in Bayern einzigartigen Selbsthilfegruppe gegenseitig. Geburtstrauma und dessen Folgen sind in der Gesellschaft ein weitgehend unbekanntes Thema. Deshalb sind die „Rosenmütter“ dieses Mal „Ehrenamt der Woche“, um ihre Thematik näher vorzustellen.
„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich damit alleine bin“, sagt Anna Mai über die Intention, die Selbsthilfegruppe „Rosenmütter“ zu gründen. Vor sechs Jahren bekam sie ihr erstes Kind und erlebte dabei irreparable körperliche Schäden, die auch psychische Folgen hatten. Sie recherchierte und wurde auf die Bewegung „Roses Revolution“ aufmerksam, die mit Aktionen für eine gewaltfreie Geburtshilfe kämpfen.
Gewalt, so die Initiative, komme in psychischer Form beispielsweise wie Drohungen, abschätzigen Bemerkungen oder Machtmissbrauch vor. Physische Gewalt macht sich durch Festschnallen, dem höchst umstrittenen Kristeller-Handgriff, Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit oder ohne ausreichende Betäubung sowie vieles mehr bemerkbar. Gründe dafür seien strukturelle Probleme in der Geburtshilfe wie Personalmangel, Kreißsaalschließungen oder Hebammenunterversorung.
Diese Gewalt wird verschwiegen und tabuisiert, so Anna Mai. Sie nahm vor zwei Jahren Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe in Frankfurt am Main auf und kam dann auf die Idee, selbst eine Gruppe in Hof zu gründen. So ist nun „Rosenmütter Nordost-Oberfranken“ die einzige Selbsthilfegruppe ihrer Art in ganz Bayern.
Seit 2018 treffen sich die „Rosenmütter“ nun einmal im Monat in Hof. Immer sind es zwischen vier und acht Frauen. Eine Dame kommt sogar manchmal bis vom Raum Regensburg. Das Alter der Frauen ist unterschiedlich – von Frauen, die erst vor Kurzem Kinder geboren haben bis zu Frauen, deren Kinder schon volljährig sind. Aufmerksam werden die Frauen durch Zeitungsartikel oder Flyer in psychologischen Beratungsstellen, Internet oder Mund-zu-Mund Propaganda. Während der Corona-Zeit treffen sie sich auch im virtuellen Raum. Das aber sei ungünstig, so Anna Mai. Die Frauen wollen unter sich sein und auch über ihre Paarbeziehung sprechen, die durch traumatische Geburten ebenfalls zu leiden habe. Ist der Partner also in der gleichen Wohnung während des Treffens, kann man über das Thema Paarbeziehung schlechter sprechen.
Die Frauen fühlen sich wohl, wenn sie unter sich sind und mit Menschen sprechen können, die verstehen, wovon man redet. Sie geben sich Tipps, wie man das Erlebte verarbeiten kann, wie man seine körperlichen Schäden verbessern oder wo psychologische Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Es sind intime Sachen, die Geburtstraumata in Folge haben: Stillprobleme, gestörte Mutter-Kind-Beziehungen, sexuelle Probleme und Eheprobleme. „Die Folgen beschäftigen die Frauen lebenslänglich“, sagt Anna Mai.
In Bayern gibt es circa 11.000 Selbsthilfegruppen. Grundsätzlich bedeutet Selbsthilfe die Fähigkeit, sich mit eigener Kraft aus einer Problemlage zu befreien. Selbsthilfegruppen sind der freiwillige und ehrenamtliche Zusammenschluss von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Das Engagement in der Selbsthilfe basiert auf direkter Betroffenheit und gemeinsamer Solidarität. Die Selbsthilfegruppe stärkt die Menschen in und nach Krisen durch die Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern. Durch Erfahrungsaustausch, Verständnis und Anteilnahme wird Unterstützung und ein Hilfsnetz aufgebaut.
06. November 2020 – Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck. Ein Team für alle Fälle
Aus einer schnellen Einsatztruppe bei Corona-Problemen wurde ein nicht mehr wegzudenkendes, vielseitiges und gut organisiertes Hilfsangebot in Fürstenfeldbruck. Nun ist die Corona-Nachbarschaftshilfe FFB mit ihrer Gründerin Monika Graf für den Deutschen Nachbarschaftspreis 2020 nominiert, dessen Preisträger am kommenden Dienstag bekannt gegeben werden. Grund genug, die Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck zum Ehrenamt der Woche zu küren und näher vorzustellen.
Monika Graf aus Fürstenfeldbruck wartet nicht lange und handelt schnell durchdacht. „Das liegt an meinem Beruf“, verrät die Eventregisseurin, die in ihrer Arbeit Marketing-Veranstaltungen für große Marken konzeptioniert. „In meinem Job muss ich immer schnell etwas auf die Beine stellen.“ Diesen Beruf kann sie seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr ausüben. Mitte März saß sie zu Hause, erfuhr in den Nachrichten vom bevorstehenden Lockdown und war sich sofort sicher: „Viele Menschen werden Hilfe brauchen.“
Kurzentschlossen gründete sie eine Facebookgruppe, mit dem Hintergedanken, es solle „einfach eine digitale Pinnwand auf Facebook“ werden, auf der sich Helfende und Hilfesuchende finden. Aus „einfach“ wurde nichts. Über Nacht explodierte die Zahl der anfragenden potentiellen Helfer. „Spätestens nach 48 Stunden war klar: Das ist ein Fulltime-Job,“ sagt Monika Graf heute. Also behandelte sie in ihr neues Ehrenamt – ihr erstes Ehrenamt im Leben – genauso professionell und effektiv wie ihren Beruf.
Sie richtete zum Beispiel nach vier Tagen eine Hotline mit lokaler Vorwahl und sympathischer Ansage ein. Die Sprachnachricht wird im Anschluss als MP3-Dateien an die Emailadressen weitergeleitet. Denn gerade die Menschen, die mehr auf Hilfe angewiesen sind, sind weniger in den sozialen Medien aktiv. Die lokale Vorwahl schreckt nicht vor der Hotline ab, es muss aber keiner das Telefon 24 Stunden bewachen. „Es kommen etwa durchschnittlich zehn Neuanrufe am Tag herein“, berichtet sie über das Hotline-Modell.
Eine weitere Säule der Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck: Die Helfer-Hilfesuchende-Tandems. Jeder Helfer bekommt einen festen Hilfesuchenden zugeteilt, so kann sich ein Hilfesuchender immer an den gleichen Menschen wenden.
Zunächst waren in der ersten Hochphase der Corona-Pandemie und der intensive Einstieg ins Ehrenamt, die Hilfsanfrage des Kreisklinikums, ob man die Kinderbetreuung der Ärzte und Pfleger übernehmen könne. Es folgte die Installation einer leicht bedienbaren Videoplattform in einem Seniorenheim, mit der Nutzer Videochats auf einfache Weise durchführen können.
Ziemlich bald gingen im Kreisklinikum und in einigen Seniorenheimen die Schutzkittel aus. Die Corona-Nachbarschaftshilfe besorgte 1,8 Tonnen Stoffspenden, die den Auflagen des Bundesgesundheitsministeriums entsprachen, und ein 60-köpfiges Team nähte 1600 Kittel.
Während der Frühjahrs-Quarantäne gingen morgens bis nachts Hilfsanfragen ein und die Zahl der Helfer stieg auf 1600. Einkäufe, Fahrdienst, Kinderbetreuung oder Druckservice für Schulunterlagen – die Hilfesuchenden scheuten sich nicht, das Angebot wahrzunehmen. „Unser Angebot hat sich in Windeseile herumgesprochen“, sagt Monika Graf. „Es sprach sich rum, dass man bei uns unbürokratische Hilfe bekommt.“
Wie wichtig unbürokratische Hilfe ist, zeigte sich über den Sommer und spätestens da standen für Monika Graf und ihr Team fest: Sie machen weiter. „Wir finden kein Argument, nicht mehr zu helfen.“ Denn es stelle sich heraus: Die Corona-Nachbarschaftshilfe ist auch ohne Corona nötig.
„Es kommen so viele Sachen ans Tageslicht, bei denen man sich wundert, wie die Menschen zuvor klargekommen sind“, sagt Monika Graf nachdenklich. Menschen rufen beispielsweise „nur“ an, weil sie eine Einkaufshilfe brauchen. Dann wird schon mal zwei Stunden - und das Gespräch zeigt, dass die Person eigentlich jemanden braucht, der ihr beim Beantragen des Pflegegrads hilft oder ihr spezielle Handgriffe im Bad montiert. „Seit Beginn unserer Hilfe haben wir sechs Badewannenlifts organisiert“, berichtet Graf.
Seit Mitte März haben sich nun mehr als 1600 Helfer in rund 7500 Arbeitsstunden in über 2500 Projekten der Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck engagiert. „Die Dankbarkeit der Menschen ist so groß“. Was Monika Graf überrascht hat, ist die Dankbarkeit der Helfer: „Mir wurde gedankt, dass ich den Menschen die Chance gebe, Gutes zu tun." Die schönste Erkenntnis ist aber: „Wenn wir selber Hilfe brauchen, dann sind wir nicht allein.“
Wegen des großen Engagements hat die Sozialabteilung der Stadt die Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck für den Deutschen Nachbarschaftspreis angemeldet. Von 1000 angemeldeten Projekten wurden 64 nominiert – eine Nominierung ging an die Corona-Nachbarschaftshilfe Fürstenfeldbruck. Wer den Preis bekommt, wird am 10. November bekannt gegeben.
30. Oktober 2020 – Freiwilliges Engagement in Mehrgenerationenhäuser
Barbara Söllner aus Freilassing tut es, Jutta Raabe aus Fürth tut es, Maren Grom aus Bad Kissingen tut es: Sie und viele andere engagieren sich freiwillig in einem Mehrgenerationenhaus (MGH). Die ehrenamtlichen Helfer leiten dort Koch-, Sprach- oder Computerkurse, betreuen Kinder, geben Hausaufgabenhilfe oder leisten Senioren Gesellschaft. 90 von rund 540 bundesweiten Mehrgenerationenhäuser stehen in Bayern. Sie sind Begegnungsorte für Menschen jeden Alters und Herkunft und schaffen ein nachbarschaftliches Miteinander in der Kommune. Das freiwillige Engagement ist dabei prägender Bestandteil der Mehrgenerationenhäuser. Das Programm „Mehrgenerationenhaus“ wurde 2006 von der Bundesregierung ins Leben gerufen mit der anfänglichen Idee, die Prinzipien der früheren Großfamilie in die moderne Gesellschaft zu übertragen. Wir stellen einige Beispiele im Ehrenamt der Woche vor:
München "Unter den Arkaden"
Freilassing "KONTAKT"
Seit zwölf Jahren ist das Mehrgenerationenhaus KONTAKT in Freilassing ein Treffpunkt für alle Generationen und bietet einen Bürgertreff, Seniorenbüro, Familienpaten, Spielegruppen, Hausaufgabenbetreuung, PC-Sprechstunden oder Sprachcafes. Träger des Hauses sind die Stadt Freilassing, Caritas und weitere. Eine der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen ist Barbara Söllner. Die 54-jährige Erzieherin arbeitet in Teilzeit, um mehr Zeit für ihr ehrenamtliches Engagement zu haben. „Ich möchte meine Ehrenämter nicht aufgeben und weiterhin Freundschaften pflegen,“ sagt sie. Im Mehrgenerationenhaus kocht sie beim Projekt „Freilassing isst vegan“ und lässt Kleider tauschen bei „Kunst und Klamotte“.
„Kunst und Klamotte“ ist ein Tauschkreis ohne Geld – jeder kann tragbare und intakte Kleidung hinbringen und wieder mitnehmen.
„Kunst und Klamotte“ findet zwei Mal im Jahr statt und Barbara Söllner organisiert ihn zusammen mit Karin Niedermeyer. „Da sieht man sehr viele glückliche Gesichter“. Das Angebot richtet sich an alle Menschen. Man müsse keinen Bedürftigkeitsausweis haben. So falle die Hemmschwelle. „Bei Kunst und Klamotte“ stellen zudem heimische Künstler aus oder machen Musik.
Das Projekt „Veganes Kochen“ entstand, weil Barbara Söllner einen großen Kräutergarten hat und Kräuterwanderungen veranstaltet. So war es bis zum veganen Kochen mit interkulturellen Einflüssen nicht mehr weit – obwohl sie, wie sie sagt, „nur“ Vegetarierin sei.
Zu ihrem Engagement im Mehrgenerationenhaus kam Barbara Söllner durch ihren so genannten „Hortus-Garten“, denn eine Gruppe des MGH organisierte vor einigen Jahren einen Ausflug zu diesem Garten.
Wichtig für Barbara Söllner ist bei ihrem Engagement die Gemeinschaft und das miteinander tätig sein. „Man hat Gemeinsames geschafft und das ist eine Art Befriedigung. Man fühlt sich gut, wenn man einen Beitrag leistet“.
Fürth
Im Mehrgenerationenhaus Mütterzentrum Fürth kommen an einem normalen Tag (außerhalb von Corona) bis zu 200 Kinder, Mütter, Väter, Seniorinnen und Senioren zusammen. Das Haus ist Träger eines Kindergartens, einer Krippe und einer Hausaufgabengruppe. Darüber hinaus gibt es Spielegruppen, interkulturelle Beratung oder generationsübergreifende Frühstücksangebote und Mittagstische. Fitte Senioren und junge engagierte Menschen schulen ältere Menschen im Umgang mit dem PC und Handy in der offenen Computersprechstunde. Für das Jugendamt der Stadt Fürth führt das MGH den begleiteten Umgang für getrennt lebende Familien durch. Festangestellt sind im MHG Mütterzentrum Fürth 28 Menschen. 50 Menschen engagieren sich ehrenamtlich.
Eine von ihnen ist die 65-jährige Jutta Raabe. Sie ist aktiv in „Omas guter Stube“, wo sie Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren nach kurzfristiger Anmeldung stundenweise betreut. Darüber hinaus hat Jutta Raabe nach einer Schulung eine Familienpatenschaft übernommen. „Mein Anspruch ist, etwas für andere und mich zu tun“, sagt sie über ihre Motivation, sich zu engagieren. „Nach meiner Erfahrung mit der eigenen Familie ist mir bewusst, dass Unterstützung, wo immer nötig, hilfreich sein kann.“
Die Atmosphäre im Mütterzentrum empfindet Jutta Raabe als unbürokratisch und herzlich. „Bei Fragen oder Problemen stehen die Mitarbeiter den ehrenamtlichen Personen immer hilfreich zur Seite.“ Raabe ist dankbar über die vielfältigen positiven Erfahrungen: Das freudige Erwarten der Kinder, die dankbaren Eltern oder: „Das Teilen des letzten Kuchenstücks mit der Familienpatin“, sagt die ehemalige kaufmännische Angestellte, die sich in der Rente zum ersten Mal für ein Ehrenamt entschieden hat. Sie schätzt die besondere Herausforderung einer individuellen Herangehensweise und die stets neuen Aufgabenstellungen, die keine Routine aufkommen lassen.
Aufmerksam werden potentielle Ehrenamtliche durch die Freiwilligenagentur Fürth, durch Feste oder weil sie durch Tageszeitung und soziale Medien auf die Einrichtung gestoßen sind. Nicht zuletzt engagieren sich Freiwillige dadurch, dass „sie selbst einmal ein Angebot genutzt haben und sich im Haus wohl fühlen“, schreibt das Mütterzentrum auf Anfrage.
Wunsiedel
Das MGH Wunsiedel ist ein kleines Mehrgenerationenhaus, trotzdem kommen zu normalen Zeiten etwa 100 Menschen pro Woche dort zusammen. Das Angebot ist vielschichtig: Von Demenzbetreuungen über Arabisch-Kurs bis hin zu einem „Freiwilligen Sozialen Schuljahr Plus“, bei dem das Ehrenamt von Schülern gefördert wird – fast 30 Angebote sind im Portfolio des MGH Wunsiedel. Die drei festangestellten Teilzeitkräfte bekommen Unterstützung von etwa 90 ehrenamtlichen Helfern – dazu kommen rund 25 Schülerinnen und Schüler des „Freiwilligen Sozialen Schuljahres Plus“.
Drei der ehrenamtlichen Mitarbeiter sind Heinz Lang (62 Jahre), Irene Kallina (77) und Marianne Schmidt (68). Heinz Lang fährt mehrmals die Woche den Bürgerbus – eine Einrichtung der Stadt und des MGH, die vor allem die Mobilität von Senioren steigert. Zusätzlich kauft er mehrmals die Woche für ältere Menschen ein. Irene Kallina und Marianne Schmidt sind verantwortlich für den Senioren-Mittagstisch. Dazu kommt der Einkaufsservice, den das MGH wegen Corona für die älteren Einwohner gegründet hat. Drei Ehrenamtlichen haben einige Fragen zu ihrem Mehrgenerationenhaus beantwortet:
Was hat sie motiviert, sich ehrenamtlich im MGH Wunsiedel zu engagieren?
Heinz Lang: Ich helfe gerne, das hat mir schon immer Spaß gemacht. Privat kümmerte ich mich viele Jahre um ältere Familienangehörige. Seit ich im Ruhestand bin, habe ich viel Zeit und deshalb helfe ich im Mehrgenerationenhaus.
Irene Kallina: Ich bin ehrenamtlich tätig, weil ich im Ruhestand nach sinnvollen Tätigkeiten gesucht habe. Ich war vor meinem Engagement im MGH 15 Jahre lang ehrenamtlich beim BRK aktiv.
Marianne Schmidt: Ich war immer Hausfrau und habe mich schon immer gerne für Andere engagiert. Zuerst war ich im Hausfrauenbund aktiv. Darüber habe ich Kontakt zum Mehrgenerationenhaus bekommen und da im MGH tolle Sachen passieren, engagiere ich mich jetzt hier auch.
Was schätzen Sie am MGH besonders?
Irene Kallina und Marianne Schmidt: Hier gibt es ein faires und nettes Miteinander. Fehler sind nie ein Problem und wir Ehrenamtlichen werden sehr ernst genommen. Man wird vom Team immer angesprochen und „mitgenommen“.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Ihrem Engagement?
Irene Kallina und Marianne Schmidt: Wir machen uns immer viele Gedanken, wie wir den Mittagstisch für die Senioren dekorieren können und dazu nehmen wir uns viel Zeit. Als Einkaufshelferinnen müssen wir oft kleine Hobbypsychologen sein, denn die älteren Leute genießen es, wenn jemand kommt, der ihnen zuhört und sich für sie Zeit nimmt. Da wird schnell aus einem Einkauf ein ganzer Nachmittag. Andere Kolleginnen, die einkaufen, hatten schon Fälle, bei denen festgestellt wurde, dass allein lebende Senioren mehr Unterstützung benötigen als Einkaufshilfen - hier greift das MGH gleich mit guten Lösungen ein. Besondere Herausforderungen sind beim Einkaufen, dass die Leute oft spezielle Wünsche haben, die nicht so einfach einzukaufen sind. Das erfordert Zeit und Kreativität.
Marianne Schmidt: Ich erledige die Einkäufe mit dem Fahrrad, da komme ich schon manchmal an meine Grenzen. Wenn das MGH aber feststellt, dass ich einen Einkauf mit dem Rad nicht schaffen kann, dann suchen sie nach Alternativen.
Heinz Lang: Sowohl beim Einkaufen als auch beim Busfahren ist man immer Ansprechpartner für die Belange und Themen der Leute. Das ist nicht immer einfach, denn viele einsame Senioren erzählen aus ihrem Alltag. Das tut manchmal weh, aber man kann das aushalten, weil man ja auch helfen kann. Ganz besonders schwer ist es seit Corona. Unser Bürgerbus wurde zum Schutz der Fahrer etwas umgebaut, Nun fehlt aber leider die direkte Kommunikation während der Fahrt. Dafür nehmen wir uns dann halt extra Zeit.
Wie lässt sich ihr Engagement mit Ihrem Privatleben vereinbaren?
Heinz Lang: Meine Kinder sind erwachsen und meine Frau noch berufstätig. Ich habe viel Zeit und kann Gutes tun. Wenn ich keine Zeit habe, weil meine Familie mich braucht, dann kann ich das ganz einfach mit dem MGH-Team besprechen. Ich bin froh über dieses interessante Ehrenamt, das meinem Leben eine sinnvolle Beschäftigung gibt. Nur als Hausmann wäre ich weniger glücklich.
Irene Kallina: Ganz so viel Zeit habe ich zwar nicht, denn ich kümmere mich auch um meinen großen Garten, um meine Enkel und die Kapelle. Aber die Zeit, die ich im MGH einbringe, bringe ich gerne ein, denn es macht großen Spaß hier dabei zu sein. Deshalb plane ich gerne Zeit für dieses Ehrenamt. Ich bin alleinstehend und genieße es sehr, dadurch außerhalb der Kinder und Enkel Kontakte knüpfen zu können.
Marianne Schmidt: Ich bin nicht alleinstehend, genieße die Zeit im MGH aber ebenfalls sehr. Es tut gut, etwas zu tun, für das man eine so hohe Anerkennung erfährt.
Bad Kissingen
Die 32-jährige Maren Grom ist eine von 46 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mehrgenerationenhaus in Bad Kissingen. Die freiberufliche Texterin gibt Computer- und Handysprechstunden für Seniorinnen und Senioren, die sie bei allen Fragen rund um das Thema Computer, Smartphone und Co berät. Das ist ein Angebot von über 30 Kursen, Gruppen und Patenschaften im Mehrgenerationenhaus Bad Kissingen, das 2019 von fast 14.000 Menschen an 242 Öffnungstagen besucht wurde. Maren Grom ist zudem Mitglied im Vorstand des Hauses. Wir haben sie befragt:
Was hat sie motiviert, sich ehrenamtlich im MGH Bad Kissingen zu engagieren?
Da ich selbstständig bin und vorwiegend von Zuhause aus arbeite, habe ich etwas gesucht, bei dem ich regelmäßig mit anderen Menschen in Kontakt komme. Durch Zeitungsberichte bin ich auf das MGH Bad Kissingen aufmerksam geworden und habe mich dort einfach mal gemeldet. So entstand ziemlich schnell eine gute Zusammenarbeit.
Was schätzen Sie besonders am Ehrenamt im MGH Bad Kissingen?
Ich finde das Aufeinandertreffen der verschiedenen Generationen sehr bereichernd. Darüber hinaus gefällt mir das vielfältige Veranstaltungsangebot für unterschiedlichste Zielgruppen. Das Ehrenamt ist hier mehr als nur ein Hobby - man trägt etwas zu unserer funktionierenden Gesellschaft bei.
Können Sie uns einen besonderen schönen Moment ihrer ehrenamtlichen Ausübung beschreiben?
Tatsächlich gibt es einige schöne Momente, beispielsweise wenn ich einige Tage / Wochen nach der Stunde über Erfolgserlebnisse berichtet bekomme. Oder auch einfach, wenn sich Teilnehmer für das Angebot bedanken und ich positives Feedback für meine Unterrichtsart erhalte. Für mich besonders schön ist, dass ich zu einer Teilnehmerin einen besonders engen Draht gefunden habe. Wir sind seit einigen Jahren nun auch über die Sprechstunden hinaus in Kontakt und schreiben regelmäßig WhatsApp. Das Erlernte wird also gleich angewendet.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Ihrem Engagement?
Individuell zu reagieren und auf die Menschen einzugehen. Jeder hat einen anderen Wissensstand, andere Prioritäten und andere Voraussetzungen. Dazu wollen viele Senioren nicht nur Hilfe bei Computer und Smartphone, sie sind auch dankbar, mit jemanden anderen reden zu können. Ebenso ist Geduld gefragt, ab einem gewissem Alter fällt das Erlernen neuer Dinge einfach schwerer und man muss viele Punkte mehr als einmal erklären.
Wie lässt sich ihr Engagement mit Ihrem Privatleben vereinbaren?
Sehr gut! Mein Mann unterstützt mich bei meinem Engagement und hilft auch gerne mal bei Ideensammlungen oder wenn ich ein besonders hartnäckiges Computer-/Smartphone-Problem lösen muss. Dazu werden die Zeiten mit dem MGH Bad Kissingen so abgestimmt, dass sie jederzeit zu meinem Beruf, meinem Privatleben und meinem Lebensstil passen.
Neumarkt
Seit April 2007 gibt es ein Mehrgenerationenhaus in Neumarkt in der Oberpfalz. Durchschnittlich kamen 2019 täglich 167 in das Mehrgenerationenhaus und nutzten die Angebote – das sind 46 Angebote über die MGH-Förderung und 43 Angebote ohne Förderung, die sich in die Bereiche Kultur, Beratung, Kinder, Senioren, Digitalisierung oder Nachhaltigkeit gliedern. Sechs hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie fast 400 Ehrenamtliche (alle gezählt) haben sich im Haus schon engagiert. Sie leiten Angebote wie Gedächtnistraining, Café der Welt, Schafkopf, Patchwork, Legonachmittag, Repaircafé oder Kleidertauschbörse.
Auch Projektunterstützung findet statt wie zum Beispiel "Kinder entdecken ihre Stadt" oder digitales Schulungsangebot für ältere Menschen im Umgang mit digitalen Medien.
"Die Ehrenamtstätigkeit stellt einen wichtigen Pfeiler in der Arbeit des Mehrgenerationenhauses dar", schreibt das Mehrgenerationenhaus.
Zudem leistet das Mehrgenerationenhaus Neumarkt eine netzwerkübergreifende Angebotsvielfalt wie zum Beispiel mit den Vereinen Genial e.V. (Vermittlung und Ausführung von haushaltsnahen Dienstleistungen), Storchennest e.V. (flexible Kinderbetreuung), FAN e.V. (Vermittlung und Durchführung von Ehrenamtsarbeit), Bürgerstiftung Region Neumarkt (Unterstützung von Bedürftigen), Seniorenbeirat (Durchführung und Mitwirken bei Angeboten), Behindertenbeirat (Durchführung und Mitwirken), Bündnis für Familie, Projektorganisation Integration, Fachstelle nachhaltiges Bauen, Klimaschutzmanagment, Amt für Nachhaltigkeitsförderung und die Koordinierungsstelle Fair Trade.
Hof
Füreinander – Miteinander ist das Motto des MGH Hof, das zwei Standorte in der Stadt betreibt: Ein offener Treffpunkt und Anlaufstelle für Menschen aller Altersstufen und Kulturen. Über 20 Angebote finden sich im Portfolio des Hauses. Sie gliedern sich in die Bereiche Kultur, Gesundheit, Beratung, Betreuung, Integration sowie generationsverbindende Angebote. Auch hier engagieren sich zahlreiche Ehrenamtliche.
"Das ehrenamtliche Engagement hat sich bei uns im Laufe des Jahres sehr zum Positiven entwickelt. Wir haben wirklich für jeden Ehrenamtlichen Tätigkeiten. Demnach wird jeder ehrenamtlicher nach seinen Fähigkeiten eingesetzt - so zu sagen den richtigen Menschen am richtigen Ort", schreibt die Verantwortliche für das MHG Hof Natalja Schaller.
Wie alle Mehrgenerationenhäuser hat das MGH Hof unter der Corono-Zeit gelitten. Schaller sieht es so: "Uns ist nicht viel anderes übrig geblieben, als uns sich dieser Situation anzupassen. Aber: Alles Schlechte hat auch etwas Gutes. Es ist nicht weniger geworden - im Gegenteil." Die große Problematik sei die Umstellung auf Online - Angebote. "Nicht alle Zielgruppen kann man über das Online-Angebot erreichen, " bedauert sie.
23. Oktober 2020 – Michaela Wintermayr-Greck und das Projekt „Integration mit Augenmaß“
Integration durch Ehrenamt ist gut. Noch besser ist: Integration durch eigenes ehrenamtliches Engagement. Genau darum kümmert sich die Initiative „Integration mit Augenmaß“, das vom Koordinierungszentrum Bürgerschaftlichen Engagements im Landratsamt Dachau ausgeht und Migranten den Weg ins Ehrenamt ebnet. „Integration mit Augenmaß“ wird gefördert durch das Projekt „Miteinander leben – Ehrenamt verbindet“ der lagfa Bayern. Ziel dabei ist, Integration durch Bürgerschaftliches Engagement voranzutreiben und so Engagementmöglichkeiten verstärkt für Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen. 2020 beteiligen sich dabei 19 Freiwilligen-Agenturen, Freiwilligen-Zentren und Koordinierungszentren Bürgerschaftlichen Engagements aus Bayern bei. Michaela Wintermayr-Greck aus Randelsried (ganz links im Bild) engagiert sich seit fünf Jahren als ehrenamtliche Projektleiterin bei „Integration mit Augenmaß“. Ein guter Grund, sie zum „Ehrenamt der Woche“ zu küren.
Ihr gold-gelber Twingo ist ihr Erkennungsmerkmal, wenn die 55-jährige Verwaltungsassistentin durch den Landkreis Dachau braust und Kollegen einsammelt, die zum ehrenamtlichen Kernteam von „Integration mit Augenmaß“ gehören. „Wir sind 19 Leute aus elf Nationen“, beschreibt Michaela Wintermayr-Greck die Struktur. Hauptamtlich geleitet wird „Integration mit Augenmaß“ im Landratsamt Dachau von Martina Tschirge im Rahmen des Koordinierungszentrum Bürgerschaftlichen Engagements, Michaela Wintermayr-Greck ist ihre ehrenamtliche Projektleiterin vor Ort. Sie wendet sich direkt und persönlich an Mirgranten im Landkreis Dachau, motiviert sie zum Mitmachen und leitet und konzeptioniert die Aktionen. „Die Doppelspitze klappt sehr gut“, schwärmt Wintermayr-Greck. „Da ist eine große Vertrauensbasis da.“
In den fünf Jahren, in denen Wintermayr-Greck sich bei „Integration mit Augenmaß“ engagiert, hat es knapp ein Dutzend Initiativen gegeben. Da bilden Ehrenamtliche Flüchtlinge zu Imkern aus oder ein Berufsschullehrer baut mit Geflüchteten Solarstromkoffer, die er entwickelt hat. Da werden interkulturelle Dirndl oder Masken genäht und gerade erst haben Menschen im ganzen Landkreis Dachau mit und ohne Migrationshintergrund verschiedene Mosaike gebildet, die die verschiedenen Bereiche des Ehrenamts darstellen. In naher Zukunft werden die Mosaike im Klinikum Dachau ausgestellt. Darüber hinaus erstellt „Integration mit Augenmaß“ Konzepte für betriebliche Integrationsbegleiter oder Ratgeber für Wohnungssuchende.
„Unser erstes Projekt war ein Malprojekt“, erinnert sich Wintermayr-Greck, die über ihr Integrations-Ehrenamt ehrenamtliche Schöffin ist und ihre pflegebedürftigen Eltern pflegt. „Es hieß ‚Deutschland deine Heimat‘ und es entstanden viele Bilder, die bei einer Ausstellung in Dachau zu sehen waren.“
Schnell hat sich das Projekt vernetzt. „Wir haben sehr viel Kontakt zu Projekten in anderen Landkreise, die bei ‚Miteinander leben – Ehrenamt verbindet‘ angeschlossen sind. Insbesondere mit dem Bayreuther Projekt“, erzählt Wintermayr-Greck. Man tausche sich untereinander aus, man spreche über Herausforderungen, die jedes Projekt mit sich bringt – beispielsweise juristische Stolpersteine.
Vernetzungen gibt es nicht nur auf überregionaler Ebene, sondern zudem in der Nähe. Zum Beispiel kooperiert „Integration mit Augenmaß“ mit der Münchner Hilfsorganisation „Heimatstern“. „Vernetzung ist im Ehrenamt sehr viel wert“, stellt Michaela Wintermayr-Greck fest.
Seit „Integration mit Augenmaß“ im Landkreis Dachau existiert, beteiligten sich laut Wintermayr-Greck etwa 500 Menschen an den Projekten. Der Terminkalender der Koordinatorin ist immer voll.
„Ich arbeite jeden Abend etwa zwei Stunden an Integration mit Augenmaß. Und am Wochenende ist sowieso immer was“, fasst Wintermayr-Greck zusammen. Sie habe sehr viel Glück, dass ihre Arbeit im Landkreis Dachau angesiedelt sei. Das liege zuletzt auch am Landrat. „Er ist ein offener Landrat, der immer ansprechbar ist. Er sagt mir auch klar, wenn er mir nicht helfen kann und begründet dann, warum er nicht helfen kann.“
Über die fünf Jahre ist „Integration mit Augenmaß“ sehr gewachsen. „Ich werde weitermachen,“ sieht Michaela Wintermayr-Greck die Zukunft. „Ich komme aus der Nummer sowieso nicht mehr raus – aber es lohnt sich. Man gewinnt als Mensch so viel. Es ist ein Lebensbestandteil.“
16. Oktober 2020: Gabriele Binkert – engagiert bei der Hilfsorganisation Mary’s Meals.
Nur ein voller Magen lernt gut! Die schottische Hilfsorganisation „Mary’s Meals“ organisiert seit 2002 Schulspeisungen in besonders armen Regionen der Welt und fördert in Folge dessen die Bildung. Denn kostenlose Schulspeisungen führen dazu, dass Kinder in die Schule geschickt werden und nicht arbeiten müssen. Hinzu kommt, dass sich ein sattes Kind besser auf den Schulstoff konzentrieren kann. Der Gründer Magnus MacFarlane begann seine Initiative mit den lebensveränderten Mahlzeiten zunächst in Malawi, wo heute über 30 Prozent der Schulkinder von „Mary’s Meals“ von über 80.000 Freiwilligen mit einem Mittagessen versorgt werden. Mittlerweile erreicht die Organisation an jedem Schultag über 1,6 Millionen Kinder in 18 Ländern. „Mary’s Meals Deutschland“ wurde 2004 mit Sitz nahe Mainz gegründet, 2013 folgte der bayerische Ableger. Dort engagieren sich zehn Menschen mit einem verbindlichen Engagement und 20 weitere in verschiedenen Projekten. Eine von ihnen ist Gabriele Binkert aus Merching im Landkreis Aichach-Friedberg. Sie engagiert sich seit sieben Jahren bei der Organisation und wird anlässlich des Welternährungstags zum „Ehrenamt der Woche“ gekürt.
Die einfache Idee von „Mary’s Meals“ war der Auslöser, dass die 51-jährige Grundschullehrerin begann, sich für die Hilfsorganisation zu engagieren. Schon vorher war der ehrenamtlichen Pfarrgemeinderätin und pastoralen Mitarbeiterin im Bereich Kinder- und Jugendarbeit der Aspekt der Nächstenliebe sehr wichtig.
Ihr Engagement bei „Mary’s Meals“ basiert dabei auf drei Säulen. Bei der Fastenaktion „Fill mugs to fight hunger“ sind Schülerinnen und Schüler dreier Grundschulen eingeladen, in einem als Spendentasse umfunktionierten Kaffeebecher kleine Geldbeträge zu sammeln, mit denen die Schulmahlzeiten in den betreffenden Ländern finanziert werden. Laut „Mary’s Meals“ bekommt mit dem Betrag von 18,30 Euro ein Kind ein ganzes Jahr täglich ein warmes Mittagessen.
„Bei einer Auftaktveranstaltung stelle ich den Klassen die Aktion vor und informiere die Eltern. Am Ende der Fastenzeit gibt es an den einzelnen Schulen einen Abschluss, bei dem jedes Kind den Inhalt der Tasse in eine große Mary’s Meals Sammeltasse leeren darf. So konnten wir in den vergangenen zwei Jahren 8500 Euro sammeln“, erzählt Gabriele Binkert. „Für die nächste Fastenaktion versuche ich, noch weitere Schulen dafür zu begeistern.“ Die Organisation betont dabei, dass mindestens 93 Prozent direkt für die Hilfe und sieben Prozent für Verwaltung und die Finanzierung von Spendenaktionen ausgegeben werden.
Die zweite Säule von Binkerts Engagement ist das so genannte Rucksackprojekt. Gemäß der Tatsache, ohne Papier und Bleistift lernt ein Kind nicht Schreiben, werden nicht mehr genutzte, aber gut erhaltene Schulrucksäcke nach einer vorgegebenen Packliste mit Schulmaterialien und Dingen des alltäglichen Bedarfs gefüllt und nach Afrika verschickt. Hier weist „Mary’s Meals“ darauf hin, dass es in den betroffenen Gebieten schwierig und teuer sei, die benötigten Schulmaterialien zu kaufen, da es sich größtenteils um Importware handele und somit der lokalen Wirtschaft mit einem Erwerb vor Ort nicht gedient wäre.
Beim Rucksackprojekt engagiert sich Gaby Binkert mit ihrer jeweiligen Firmgruppe, die sie in ihrer Pfarrgemeinde betreut. „Im Laufe der vergangenen sieben Jahre konnten wir etwa 700 Rucksäcke packen und verschicken. Zudem kochen die Firmlinge jedes Jahr – außer heuer wegen Corona – die Fastensuppe für das Fastenessen und spenden den Erlös an Mary’s Meals.“
Auch in ihrer Familie, im Freundeskreis und in ihrer Nachbarschaft versucht Gabriele Binkert, Botschafterin für Mary’s Meals zu sein, in dem sie von der Idee und ihrem Engagement erzählt. „Mit der Hoffnung, dass Funken meiner Begeisterung auf andere überspringen.“
Gabriele Binkert empfindet, Mary’s Meals zeige, dass es möglich sei, durch kleine Taten gelebter Nächstenliebe Abwärtsspiralen zu durchbrechen und neue Wege zu ermöglichen. „Diese Botschaft mach mir Mut und schenkt mir Kraft, mich für die gute Sache zu engagieren. Die Hilfsorganisation ist für mich ein gelebtes Beispiel, dass wir Menschen die Menschlichkeit noch nicht verlernt haben.“
14. Oktober 2020: Heidemarie Horenburg - Vorsitzende des Hospizvereins Zwiesel-Regen
"Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben" - das war das Motto der Gründerin der Hospizbewegung, Cicely Saunders. Laut dem Bayerischen Hospiz- und Palliativverband gibt es in Bayern 139 Hospizdienste, 17 stationäre Hospize und fünf Palliativstationen. Tausende Hospizhelfer engagieren sich ehrenamtlich. Eine dieser ehrenamtlichen Hospizhelfer ist Heidemarie Horenburg. Die pensionierte Schulrätin begleitet seit 17 Jahren Schwerstkranke auf ihrem letzten Weg beim Hospizverein Zwiesel-Regen. Seit den vergangenen fünf Jahren leitet sie zudem ehrenamtlich den Vorsitz des Vereins. Anlässlich des Deutschen Hospiztages am 14. Oktober kürt die Ehrenamtsbeauftragte Heidemarie Horenburg zum "Ehrenamt der Woche."
Ehrenamt in einem sozialen Bereich spielt in Heidemarie Horenburgs Leben nicht erst seit 17 Jahren eine Rolle. Seit 40 Jahren ist sie BRK-Mitglied und leistete viele ehrenamtliche Stunden im Rettungsdienst und in der Ausbildung. Vor 17 Jahren machte sie sich auf die Suche nach einer neuen Aufgabe. Fest stand: Es sollte wieder eine ehrenamtliche Aufgabe im sozialen Bereich sein. Der Hospizverein, damals erst vier Jahre alt und noch klein, suchte Menschen, die die Ausbildung zum Hospizbegleiter machen wollten. Neugierig meldete sich Heidemarie Horenburg an und lernte mit anderen Menschen aus allen möglichen Berufen und Altersgruppen viel über den Umgang mit Schwerstkranken, Sterbenden und deren Angehörigen.
„Ich lernte auch über meine eigene Einstellung zu Leben, Tod und Trauer“, erzählt Horenburg. „Das war es, was ich suchte: mit Gleichgesinnten die Hospizidee ‚Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben‘ leben und weitergeben!“
Schwerstkranke auf ihrem letzten Weg begleiten, für sie da sein, zuhören und noch Wünsche erfüllen, trotz des nahen Endes Freude bereiten – das ist seitdem die Aufgabe von Heidemarie Horenburg. Die Begleitungen – egal ob zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus – seien sehr sensibel. „Aber“, sagt sie, „alle Hospizbegleiter stehen unter Schweigepflicht.“
Damit man die oft sehr schweren Schicksale der Begleiteten nicht mit sich trägt, muss man sie loslassen können. Hilfe dazu bietet die monatliche Supervision, an der jeder Ehrenamtliche teilnehmen kann.
Heidemarie Horenburg betont dabei: „Begleitungen machen uns reich! Es ist wunderbar, wenn sich die Begleiteten öffnen, wenn sie einem Vertrauen entgegenbringen, an ihrem Leben und ihren Sorgen teilhabenlassen. Wenn man Vermittler sein darf und zu einer Versöhnung ermuntern kann.“ Sie schätzt es sehr, wenn man den Weg mitbereitet, dass der Schwerstkranke seine Würde bis zuletzt behält und spürt, wenn er loslassen und in Frieden gehen kann. „Wenn man, was nicht immer gegeben ist, in der Sterbestunde bei seinem Begleiteten sein kann, ist man eingebunden in einen heiligen Augenblick.“
Ihr Ehemann hat großes Verständnis für ihr Ehrenamt, in dem sie ihre Zeit frei einteilen kann. Ihr zeitlicher Einsatz richtet sich nach den Wünschen der Begleiteten oder deren Angehörigen und dem aktuellen Zustand. In den letzten Tagen und Stunden bemüht sie sich immer, besonders präsent zu sein.
Sie würdigt zudem die Arbeit ihrer Vereinskollegen: „Für jedes Ehrenamt braucht man Liebe zu den Aufgaben und Engagement ohne Gängelei. Jeder sollte sich so oft einbringen können, wie es ihm selbst zwanglos möglich ist. In meinem Verein arbeiten etwa 70 Ehrenamtliche als Sterbe-, Trauer- oder Kindertrauerbegleiter mit, denen ich allen an dieser Stelle von ganzem Herzen für ihr herausragendes Engagement und ihre Treue danken möchte.“
09. Oktober 2020 - Erika Zormaier von der Hauswirtschaftlichen Beratung München
Ist die Miete bezahlt oder droht Obdachlosigkeit? Sind Stromschulden vorhanden? Sind alle Anträge ausgefüllt und die Post geöffnet? Ehrenamtliche Mitarbeiter der Hauswirtschaftlichen Beratung (HWB) München begleiten Menschen, die Probleme haben, mit ihrem Einkommen auszukommen oder von Verschuldung betroffen sind. Der HWB ist eine Kooperationseinrichtung der Stadt München und des Vereins Fraueninteressen e.V. sowie des Sozialreferats und wurde 1982 gegründet. Rund 30 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten je eine Familie oder eine Person über einen längeren Zeitraum. Erika Zormaier ist eine der ehrenamtlich Engagierten und hat in über 16 Jahren etwa 15 Familien betreut.
„Ich bin sozial eingestellt und arbeite gerne mit Menschen zusammen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“, sagt die 69-jährige Erika Zormaier, über ihre Motivation, sich bei der Hauswirtschaftlichen Beratung zu engagieren. 1999, als ihre drei Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, begann die ausgebildete Hauswirtschafterin zunächst beim Verein Fraueninteressen für soziale Empfänge ehrenamtlich zu kochen.
Vier Jahre später ließ sie sich bei der Freiwilligenagentur „Tatendrang“ beraten und dort machte man ihr den Hauswirtschaftlichen Beratungsdienst schmackhaft. „An die Arbeit beim HWB wird man langsam herangeführt“, erinnert sie sich. „Ich habe zunächst hospitiert.“ Hospitation beim HWB bedeutet: Man hört bei den monatlichen Treffen der Helferinnen und Helfer zu. Dort werden die Fälle durchgesprochen, aufgearbeitet und man tauscht sich aus.
2004 bekam Erika Zormaier schließlich ihren ersten Fall. Das geschieht meist so: Sozialarbeiter oder das Sozialbürgerhaus machen die Koordinatoren des Sozialreferats darauf aufmerksam, wer Hilfe brauchen könnte. Die Koordinatoren teilen anschließend die ehrenamtlichen Helfer nach gewissen Kriterien ein – zum Beispiel wohnortnah oder wer charakterlich am besten zu der Familie oder dem Klienten passt. „Ich hatte immer kinderreiche Familien“, erinnert sich Zormaier.
Zunächst bekommen die ehrenamtlichen Helfer die wichtigsten Daten und die Information darüber, welche Unterstützung schon geleistet wurde und welche Unterstützung notwendig wäre. Das Erstgespräch findet zu Hause mit dem Klienten, dem ehrenamtlichen Helfer und mit den Koordinatoren des Sozialreferats statt. Anschließend beginnt die praktische Arbeit für Erika Zormaier und ihre ehrenamtlichen Kollegen. Sie machen sich einen Überblick über ungeöffnete Post, Schulden oder Gläubigerschreiben.
„Das wichtigste ist, dass man zuerst schaut, ob die Miete bezahlt ist oder ob Stromschulden vorhanden sind. Es ist wichtig, dass die Menschen in ihren Wohnungen bleiben und keine Obdachlosigkeit droht“, erklärt Erika Zormaier. Ist Gefahr in Verzug, hilft Zormaier ein Mietdarlehen zu beantragen, klärt, ob alle Anträge beim Jobcenter ausgefüllt wurden oder bittet bei den Stadtwerken um Aufschub.
„Das Wichtigste ist, dass immer alle Anträge ausgefüllt sind“, bemerkt Zormaier. Sie hilft den Menschen, dass sie zukünftig selbst mit den bürokratischen Anforderungen umgehen können. „Das ist Hilfe zur Selbsthilfe.“
Im Anschluss führt Zormaier Familien durch den Antrags- und Behördenschungel. „Wir müssen uns selbst stets informieren und Rückfragen halten. Dazu sind die Gruppentreffs sehr wichtig“, betont sie.
Sind die Grundlagen geschaffen, geht es an weitere Details. Bei kinderreichen Familien hilft Zormaier zum Beispiel, dass die Menschen zu einem Kiga-Platz oder Hort-Platz kommen. „Bei Hartz 4 gibt es dafür eine Gebührenbefreiung, aber dazu muss man auch wieder einen Antrag ausfüllen“, erzählt sie von einem Beispiel aus der Praxis. Oder sie begleitet die Menschen zu den Behörden. Ist ein Insolvenzverfahren am Laufen, leisten die Freiwilligen des HWB dort Hilfe.
Sie ist froh, dass der Rückhalt aus dem Verein da ist. „Wir sind sehr gut betreut und bekommen sehr gute Fortbildungen, wie zum Beispiel vom Jugendamt oder den Betreuungsstellen“, lobt sie ihre Institution. Bis zu drei Fortbildungen pro Jahr seien es, die von Menschen aus Behörden für die Ehrenamtlichen gehalten werden. Darüber hinaus werden ihre Informationsordner stetig aktualisiert und sie können immer bei den Koordinatoren durchklingeln und Rücksprache halten.
Ein bis drei Jahre begleitet Erika Zormaier Klienten. „In meiner Hochzeit betreute ich vier Familien, im Moment sind es zwei Familien.“ Beginnt man diese ehrenamtliche Arbeit, ist Balance gefragt. Es kann passieren, dass einem die Schicksale der Klienten nahegehen. „Man muss sich abgrenzen, man darf nicht zu viel an sich ranlassen. Andererseits darf man auch nicht zu abgebrüht sein. Man muss Mitgefühl haben.“
Das Ehrenamt erfüllt Erika Zormaier seit Beginn. Besonders die Dankbarkeit der Menschen geht ihr zu Herzen und dass man selbst so viel mitnimmt. „Die Dankbarkeit ist sehr groß bei den Klienten. Die Leute sind froh, dass man da ist. Man bekommt sehr viel zurück. Mein Horizont hat sich gegenüber anderen Menschen aus anderen Ländern sehr erweitert. Es sind großartige Einblicke, die man bekommt.“
Wasserrettung und Schwimmausbildung – das sind die zwei Säulen der Wasserwacht in Bayern. Rund 7000 Einsätze werden jedes Jahr von 70.000 aktiven Ehrenamtlichen geleistet und über 10.000 Kinder und Jugendliche lernen jedes Jahr das Schwimmen bei der Wasserwacht. Eine der ehrenamtlichen Schwimmausbilder bei der Wasserwacht ist Marianne Ascher-Mehl. Sie ist seit 1971 Mitglied der Wasserwacht-Ortsgruppe Neunkirchen am Brand und seit 2001 Bezirksausbilderin Schwimmen für den Wasserwachtbezirk Ober- und Mittelfranken. Wir stellen sie im „Ehrenamt der Woche“ näher vor.
„Ich möchte die Freude am Wasser vermitteln“, sagt Marianne Ascher-Mehl über ihren Ansporn, ehrenamtlich tätig zu sein. Gut schwimmen, sicher schwimmen und mit Freude schwimmen – das sind ihre obersten Ziele bei der Schwimmvermittlung. Denn: „Gut schwimmen zu können, ist der beste Schritt einem Ertrinkungstod vorzubeugen“, sagt die passionierte Ehrenamtlerin.
Marianne Ascher-Mehl studierte Sport und Französisch auf Gymnasiallehramt in Erlangen. Für die Uni musste sie 1971 einen Nachweis über Schwimmaufsicht erbringen – das war ihr Einstieg in die Wasserwacht und ab da leistete sie an den Wochenenden die ehrenamtliche Aufsicht im ortseigenen Schwimmbad. Durch ihr Sportstudium konnte sie sich bald kompetent in die Schwimmausbildung einbringen und ihr Wissen über Anatomie, Physiologie und Trainigslehre in der Praxis einsetzen. „Ich will lehren, wie man ein sinnvolles Training aufbaut“, sagt sie. Mit dieser Haltung begann sie in den 1990er Jahren auf Kreisebene, angehende Schwimmausbilder ehrenamtlich zu trainieren.
Seit 2001 ist sie Bezirksausbilderin im Bezirk Ober- und Mittelfranken. Ihr ist es wichtig, dass Ausbilder, die ihrerseits ihr Wissen weitergeben, ein gutes Niveau haben und qualifiziert sind. Das fange zum Beispiel schon bei Jugendlichen an, die Kindern Schwimmunterricht geben. Ihnen zeigt Ascher-Mehl zum Beispiel, wie man eine Schwere beim Brustschwimmen richtig korrigiert. Marianne Ascher-Mehl möchte neue Impulse geben – ihr pädagogisches Know-How aus ihrem Lehrerberuf fließen dabei mit ein.
Neben ihrem sportlichen Engagement ist sie darüber hinaus Kassier in ihrer Ortsgruppe oder erstellt Konzepte wie zum Beispiel für den „Tag des Abzeichens“. „Dahinter steht ein großes Team“, betont sie. Dass sie seit 2001 als Bezirksausbilderin für Mittel- und Oberfranken zuständig ist, ist für sie eine große Ehre. „Ich stelle mich gerne an die Seite vieler engagierter Kameraden. Das Team ist mir wichtig.“ Marianne Ascher-Mehl freut sich, dass sie in ihrem Ehrenamt stets von angenehmen Menschen umgeben ist und dass sie dort, das was sie weiß, weitergeben kann.
Überzeugt ist sie zudem davon, dass man das Positive im Ehrenamt weiter trägt, was man in seiner Kindheit oder Jugend vom Ehrenamt erfahren hat. Sie selbst war als Kind in einer Turngruppe, die ein freiwillig Engagierter leitete. „Ohne das Engagement dieses Ehrenamtlichen hätte ich wahrscheinlich nie Sport studiert.“ Das Ehrenamt habe sie geprägt.
Das Ende des Sommers ist da. Viele Badeseen ware in diesem Corona-Jahr höher mit Badegästen frequentiert als üblich. Dass an den Seen möglichst wenige Unfälle passieren oder wenn was passiert, die Menschen gerettet werden, dafür sorgt in Bayern der Wasserrettungsdienst - gemäß Bayerischem Rettungsdienstgesetz (BayRDG) - von der Deutschen Lebens-Rettung-Gesellschaft (DLRG) Bayern und der BRK (Bayerisches Rotes Kreuz) - Wasserwacht. Die Wasserretter verrichten ehrenamtlich an den Wochenenden Wachdienste an Seen, Flüssen und Bädern und sind als Schnelleinsatzgruppe mit Motorrettungsbooten, Eisrettungsschlitten oder Tauchgeräten an Seen oder Flüssen zur Stelle, wenn die 112 gewählt wird. Einer dieser Wasserretter ist Andreas Rösch, der seit seinem dritten Lebensjahr Mitglied in der DLRG ist und den wir hier als „Ehrenamt der Woche“ vorstellen.
Schon Andreas Rösch Eltern waren Wasserratten und engagierten sich jeher bei der DLRG Leipheim/Günzburg/Neu-Ulm. Deshalb meldeten sie ihren Sohn 1986 im Alter von drei Jahren bei dem schwäbischen Kreisverband an. Als Jugendlicher absolvierte er regulär die möglichen Schwimmtrainings und Leistungsabzeichen. In seiner Heimat ist Andreas Rösch nach wie vor Mitglied, sein aktives Engagement lebt er allerdings seit einigen Jahren beim DLRG-Ortsverband München Mitte aus, da es ihn beruflich als Steuerberater in die bayerische Landeshauptstadt verschlagen hat. Neben dem regelmäßigen Wachdienst an Wochenenden am Fasaneriesee, ist er ausgebildeter Bootsführer, Signalmann und Einsatzleiter im Wasserrettungsdienst – das bedeutet, er führt die Schnelleinsatzgruppe im Notfall. Das sind nur einige Spezialisierungen, die Mitglieder bei der DLRG machen können. Tauchen oder Strömungsrettung sind zum Beispiel weitere Spezialbereiche.
Zum Notfalleinsatz kommen Andreas Rösch und seine DLRG-Kollegen, wenn jemand die 112 wählt und es sich um einen Notfall am Wasser handelt. „Man wird akut alarmiert und es piepst an den Piepsern wie bei der Feuerwehr“, erläutert Rösch das Prozedere. Zum Zeitpunkt des Telefonats im September hat er schon 25 Notfalleinsätze hinter sich gebracht. „Dieses Jahr waren es mehr Einsätze, da wegen Corona mehr Menschen an den Seen waren.“ Die Mindestbesetzung bei einem Notfall muss aus fünf Leuten bestehen. „Meistens sind wir acht bis zehn Leute, die mit zwei Booten rausfahren.“ Als Wachführer muss Andreas Rösch den Fall strukturiert anhand eines Entscheidungsbaumes abarbeiten. Auf die Frage, wie man es schafft, emotional Abstand zu halten, sagt er: „Psychosoziale Nachsorge ist Teil der Ausbildung und die Führungskräfte sind geschult. Es wird immer offen darüber gesprochen.“ Wenn das nicht reiche, werde für professionelle Hilfe gesorgt.
Die DLRG ist immer offen für neue Ehrenamtliche. Was man mitbringen sollte, erklärt Rösch: „Affinität zum Wasser, eine offene Persönlichkeit und dass man gerne mit und am Menschen arbeitet. Wasserrettung ist Teamarbeit. Keiner alleine kann für Sicherheit sorgen.“
Für Andreas Rösch ist sein Ehrenamt ein toller Ausgleich zu seinem Job, wie er sagt. „Ich habe die Bewegung an der frischen Luft und ich mache mit meinem Hobby etwas Gutes für die Allgemeinheit. Außerdem gibt es noch die private Komponente: Ich habe viele Freunde und Bekannte bei der DLRG. Das Ehrenamt erfüllt mich sehr.“
18. September 2020: Hilfe von Jugendlichen für Jugendliche bei Suizidgedanken
[U25] Nürnberg berät junge Menschen unter 25 Jahren in suizidalen Krisen, ausgelöst durch Verlust von Angehörigen, psychosozialen Problemen, Leistungsdruck in der Schule oder Ausbildung, Partnerkonflikten und ähnlichen Themen - online und anonym. Für dieses Hilfsangebot werden junge Menschen im Alter von 16-25 Jahren (sogenannten Peerberater*innen) nach einer Ausbildungszeit von vier Monaten dazu befähigt, Jugendliche per Mail-Kontakt ehrenamtlich zu begleiten. Dabei werden die Peers von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen durchgehend unterstützt. Das Konzept sieht vor, dass nach der ersten Mail eines Jugendlichen innerhalb von zwei Werktagen eine Antwortmail erfolgt. Im weiteren Kontakt hat die*der Peer gemeinsam mit der Teamleitung bis zu sieben Tage Zeit, um eine erneute Antwort zu versenden, die inhaltlich auf die Problematik der*des Ratsuchenden eingeht. Das Projekt begleitet junge Menschen in Krisen, bietet aber keine Akutintervention und ersetzt keine Therapie oder Beratungsstelle vor Ort. Eine 24-Jährige anonyme Peerberaterin hat uns Fragen zu [U25] beantwortet.
Wie kam es zu deiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei [U25]?
Von [U25] habe ich erfahren, als das Projekt bei einer Uni-Veranstaltungen vorgestellt wurde. Ich war sofort begeistert von dem Konzept der Peerbegleitung und habe schon länger nach einer Möglichkeit gesucht, wie ich mich ehrenamtlich im Bereich psychische Gesundheit engagieren kann. Da ich die Enttabuisierung von Themen wie Suizidalität und psychischen Erkrankungen sehr wichtig finde, habe ich in der Peerbegleitung eine Möglichkeit gesehen, meinen eigenen Beitrag zu leisten. Außerdem möchte ich nach meinem Studium eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin machen und sehe die Arbeit bei [U25] als eine Möglichkeit, in einem sicheren Rahmen und unter Supervision Menschen in Krisen zu begleiten und meinen eigenen Umgang mit den Themen zu reflektieren.
Wie viel Zeit steckst du in dein Engagement?
Das ist unterschiedlich und hängt ganz davon ab, wie viele Ratsuchende ich begleite und wie regelmäßig sie mir schreiben. Durchschnittlich begleite ich ein bis drei Ratsuchende, mit denen ich den Mailkontakt pflege. Für die Erstellung einer Mail benötige ich zwischen einer halben Stunde und drei Stunden pro Antwort. Dazu kommen noch die zweiwöchentlichen Supervisionen, die ungefähr 1,5 Stunden dauern.
Wie schaut das Engagement genau aus? Wie läuft die Tätigkeit der Beratung genau ab?
Die Begleitung läuft über das Online-System des Deutschen Caritasverbandes. Wie in einem E-Mail-Postfach habe ich hier Zugriff auf die Nachrichten, die ich mit meinen Ratsuchenden schreibe. Wenn eine neue Mail kommt, werde ich benachrichtigt und habe sieben Tage Zeit, um eine Antwort zu verfassen. Bevor ich meine Antwort abschicke, schauen meine Teamleiterinnen noch einmal drüber und geben mir auf jede einzelne Nachricht ausführliches Feedback. Manchmal kommen in der Beratung auch Themen auf, bei denen ich mir unsicher bin – dann kann ich mich auch außerhalb der Supervisionen bei meinen Teamleiterinnen persönlich melden.
Wie lange dauern Mailkontakte?
Die Länge von Mailkontakten kann ganz unterschiedlich ausfallen. Manchmal melden sich Ratsuchende schon nach der ersten Mail nicht mehr. Das gehört aber zu unserer Arbeit dazu, uns ist als Peerberater*innen bewusst, dass Kontakte auch jederzeit abbrechen können. Meine längste Begleitung hat bisher fast ein Jahr angedauert, mit mehr oder weniger regelmäßigen Mails.
Muss man - bei wiederholtem Mailkontakt aufpassen, die Distanz nicht zu verlieren oder ist es förderlich, zum Hilfesuchenden eine Nähe aufzubauen?
Die Herstellung von innerer Distanz ist ganz wichtig bei unserer Arbeit und den herausfordernden Themen, die immer wieder aufkommen. Darauf wird besonders in den Supervisionen viel Wert gelegt. Gleichzeitig können gerade längere Kontakte auch sehr in die Tiefe gehen und da kommt definitiv eine gewisse Nähe zueinander auf. Da muss man seine persönliche Balance finden: gleichzeitig empathisch und authentisch sein und sich aber auch bewusst bleiben, dass man keine Verantwortung für die Person am anderen Ende der Leitung übernehmen kann. Dabei helfen wir uns als Peerberater*innen auch untereinander, jede*r profitiert von den Erfahrungen der anderen. Förderlich ist es aber auf jeden Fall, sich auf sein Gegenüber einzulassen und zu versuchen, die Perspektive des anderen nachzuvollziehen. Dadurch entsteht ein sicherer Raum, in dem sich unsere Ratsuchenden frei ausdrücken können und das finde ich persönlich in meiner Begleitung sehr wichtig.
Hast du das Gefühl, dass du den Ratsuchenden immer helfen kannst? Oder gibt es manchmal das Gefühl der Machtlosigkeit?
Ich habe nicht immer das Gefühl, dass ich helfen kann, aber immer eine „offenes Ohr“ zu haben, und die Ratsuchenden zu begleiten ist oftmals schon sehr, sehr viel. [U25] ist nicht darauf ausgelegt, den Klient*innen Ratschläge oder konkrete Hilfestellung zu bieten, sondern soll vor allem eine Begleitung für junge Menschen darstellen. Ein wichtiger Bestandteil bei der Mailbegleitung ist z.B. den Blick der Ratsuchenden zu weiten und Ressourcen in deren eigenen Umfeld abzufragen und zu stärken. Ebenso gehört es zu meinen Aufgaben da zu sein, damit die Ratsuchenden wissen: Ich bin nicht alleine, da ist jemand, der*dem ich anonym alle meine Gedanken anvertrauen kann und die*der manchmal auch einfach nur „zuhört“. Und da ist es auf der Seite der Peerberater*innen auch ganz wichtig, Schwere aushalten zu können und nicht sofort in den „Aktionsmodus“ zu gehen. Das ist für mich manchmal auch gar nicht so einfach, denn obwohl ich diese Umgangsweisen im Großen und Ganzen verinnerlicht habe, kommt es immer mal wieder vor, dass die Abgrenzung nicht automatisch passiert. Dann hilft es mir, wenn ich mich aktiv mit diesem Thema auseinandersetze und mir deutlich mache, was meine Aufgabe ist, wo meine Verantwortung liegt und was eben nicht dazugehört. Die Anonymität und der enge Austausch mit den anderen Peerberater*innen und mit meinen Teamleiterinnen helfen mir dabei sehr.
Mit welchen Themen kommen die Jugendlichen auf dich zu?
Das ist ganz unterschiedlich. Durch das Angebot, das [U25] macht, gehört das Thema Suizidalität eigentlich immer in einem gewissen Umfang mit dazu. Manchmal stehen die Suizidgedanken bei dem Gefühl der Belastung, mit dem sich die jungen Menschen melden, stärker im Vordergrund, manchmal geht es eher um andere Themen wie Schule, Arbeit, Familie, Beziehungen und so weiter. Das kommt also ganz auf die Person an und gerade bei längeren Mailkontakten kommen nach und nach viele verschiedene Themen zur Sprache. Ich persönlich schreibe mit meinen Kontakten häufig über ihre Gedanken und über Gefühle wie Ängste, Einsamkeit oder Schuldgefühle. Auch Themen wie selbstverletzendes Verhalten oder Sucht kommen immer wieder auf. Weil sich Menschen in suizidalen Krisen bei uns melden, unterhalten wir uns immer mal wieder auch über tiefergehende Themen wie die Auseinandersetzung mit dem Tod oder Sinnfragen. Gerade dann sprechen wir aber auch häufig über die Momente, die das Leben schön machen, denn auch diese Aspekte sollen bei der Begleitung nicht zu kurz kommen.
Bist du neben deinem Engagement bei der [U25] -Beratung noch anderweitig ehrenamtlich tätig?
Nicht regelmäßig, nein. Studium und Job nehmen aktuell viel Zeit ein und ich möchte auf keinen Fall, dass bei der Erstellung meiner Mails ein Gefühl von Zeitdruck aufkommt. Ich wende die Zeit für mein Ehrenamt in dem aktuellen Umfang gerne auf und habe das Gefühl, dass es mir wirklich viel zurückgibt. Trotz der großen Schwere, die zu den Inhalten der Mails häufig einfach dazugehören, erlebe ich im Kontakt mit den Ratsuchenden immer wieder kleine positive, hoffnungsvolle und einfach schöne Momente. Und das ist jedes Mal etwas Einzigartiges.
4. September 2020: Peter Mortimer – Ehrenamtlicher Mentor beim Projekt „Wege in den Beruf“ des Vereins IN VIA
Die Integration von Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt klappt immer besser. Viele Menschen, die auf der Flucht vor Krieg oder Verfolgung, den Weg nach Deutschland gefunden haben, befinden sich in einer Ausbildung. Allerdings tauchen währenddessen oft Hürden auf, bei denen Initiativen, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, die Geflüchtete bei ihrem beruflichen Weg unbürokratisch unterstützen. Dazu gehört der Katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit „IN VIA München“. Bei dessen Projekt „Wege in den Beruf“ unterstützen derzeit 50 Ehrenamtliche 45 Auszubildende. Einer der freiwilligen Helfer ist Peter Mortimer.
„Mir ist es wichtig, außerhalb meines Berufs einen Ausgleich zu haben und mich nicht nur um mich selbst zu kümmern“, sagt Peter Mortimer über seine Motivation, anderen Menschen Zeit zu schenken. Der 25-jährige Informatik-Doktorand der Universität der Bundeswehr hilft zwei Auszubildenden, deren zweites Ausbildungsjahr als Augenoptiker nun beginnt. Ende des Jahres 2019 meldete sich Peter Mortimer bei der Freiwilligenagentur „Tatendrang“ in München, die ihn zu „IN VIA“ vermittelte. Seitdem hilft er den beiden Azubis jeweils einmal die Woche jeweils eine Stunde. Er wiederholt mit ihnen die Unterrichtsinhalte der Berufsschule, bereitet mit ihnen Schulaufgaben vor und bespricht mit ihnen weitere Probleme. Das Lernmaterial für die Augenoptiker-Ausbildung hat Peter Mortimer von IN VIA bekommen. „IN VIA macht es einem einfach zu helfen“, sagt Peter Mortimer. Das führt dazu, dass sich Mortimer im neuen Ausbildungsjahr noch für einen dritten Azubi als Mentor zur Verfügung stellt. Dieser beginnt eine Ausbildung im Bereich „Medien, Ton und Technik“.
„IN VIA“ berät und begleitet Geflüchtete ab 16 Jahren bei der Berufsausbildung, die von zahnmedizinischer Fachangestellten bis zum Anlagemeckaniker reicht. Durch Kurse und Lernförderung helfen die Ehrenamtlichen ihnen, sich in der Berufsschule oder in den Betrieben zurecht zu finden. Darüber hinaus berät „IN VIA“ in asylrechtlichen Fragen, bei Behördenschriftverkehr, bei der der Wohnungssuche oder bei der Vermittlung von Überbrückungshilfen. Bei Austauschtreffen berichten Geflüchtete, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, über ihre Erfahrungen und Probleme und wie sie eine Lösung gefunden haben.
IN VIA hat eine eigene Ehrenamtsbeauftragte, die die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen betreut, ihnen die bürokratische Arbeit abnimmt, Weiterbildungen organisiert oder Versicherungen übernimmt. So können sich die Ehrenamtlichen voll darauf konzentrieren, den Auszubildenden in ihrem Fach zu helfen, auch wenn sie nur wenige Stunden in der Woche zur Verfügung haben.
Durch die individuelle Begleitung öffnen sich die Geflüchteten leichter, wenn persönliche Probleme wie Traumata oder die Sorge um die Familie die Ausbildung gefährden. Dadurch ist es meist möglich, eine Lösung zu finden, damit die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann und für die jungen Geflüchteten keine Perspektivlosigkeit entsteht.
Für Peter Mortimer bereichert sein Engagement selbst sein Leben in doppelter Hinsicht. Zum einen: „Für mich ist dieses Engagement eine sehr positive Erfahrung. Man ist ja schnell nur mit den Leuten aus seinem Umfeld unterwegs. Wenn man sich engagiert, öffnet es einem die Augen und man sieht, wie es anderen Menschen geht.“ Außerdem brächte es sehr viel Optimismus in sein Leben – im Gegensatz zu vielen medialen Darstellungen des Flüchtlingsthemas.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt seines Engagements: „Dadurch, dass ich mich engagiere, befassen sich Menschen aus meinem Umfeld mit dem Thema ‚Ehrenamt‘, die sich mit diesem Thema sonst noch nie auseinandergesetzt haben.“
28. August 2020: Bernhard Löhlein - der ehrenamtliche Spieler
Gesellschaftsspiele im 21. Jahrhundert: Gibt es die noch? Natürlich – und sie erleben einen Boom. Wahrscheinlich steht in vielen bayerischen Wohnzimmerschränken ein „Spiel des Jahres“. Das Ehrenamt trägt einen großen Teil dazu bei.
Der Verein „Spiel des Jahres“ wurde 1979 gegründet und ernennt jedes Jahr das „Spiel des Jahres“. 2001 kam das Prädikat „Kinderspiel des Jahres“ und 2011 das „Kennerspiel des Jahres“ dazu. Mitglieder des Vereins sind die Juroren, die im gesamten deutschsprachigen Raum beheimatet sind und die ihr Amt komplett ehrenamtlich ausüben. Das dienstälteste Mitglied und Jurysprecher ist Bernhard Löhlein. Er kommt aus Bayern – genauer gesagt, aus Ingolstadt.
Bernhard Löhlein investiert viel Zeit in sein Ehrenamt. „Ich probiere jedes Jahr etwa 300 bis 400 Spiele aus, also jeden Tag mindestens ein Brettspiel“, erzählt der 54-jährige Radio-Journalist. „Manche gehen ganz schnell, manche muss man öfter spielen.“
Als Kind hatte er schon sehr viel und gerne gespielt, als Jugendlicher die Leidenschaft allerdings etwas zur Seite geschoben. „Später habe ich wieder mit meiner Frau angefangen.“ Irgendwann fuhr Bernhard Löhlein nach Nürnberg auf die Spielwarenmesse. „Da wusste ich: Ja, ich bin ein Spieler.“
Er fing an, richtig viel zu spielen und Spieleveranstaltungen zu organisieren. Beim Radiosender „Radio IN“ rief er 2001 die Sendung „Spiel der Woche“ ins Leben – heute eine der ältesten Rubriken des Senders, die nach wie vor Woche für Woche gesendet wird. „Ich betrachte das Spiel als Kulturgut und möchte möglichst viele Menschen zum Spielen bringen“, sagt Bernhard Löhlein über seine Motivation.
Man muss nach Spielen lechzen
Auf Spielemessen vernetzte er sich und 2002 wurde er gefragt, ob er Beiratsmitglied im Gremium „Kinderspiel des Jahres“ werden möchte. Bernhard Löhlein ließ sich nicht zweimal bitten. Die Beiratstätigkeit war quasi der Testlauf für die Jury. 2003 wurde er in den Verein – und somit als Juror – aufgenommen. Nicht jeder kann sich als „Jurymitglied – Spiel des Jahres“ ehrenamtlich engagieren. „Man muss als Spielekritiker in einem Medium tätig sein. Und man muss gut argumentieren, reflektieren und kritisieren können“, zählt Bernhard Löhlein die Voraussetzungen für dieses Ehrenamt auf. Und: „Man muss nach Spielen lechzen.“
Derzeit sind es zehn Juroren, die die potentiellen Spiele für das „Spiel des Jahres“ auf Herz und Nieren testen. Einfach ist es nicht, neue Jurymitglieder zu rekrutieren, erzählt Löhlein. „Wir sind froh, wenn wir Menschen finden, die fundiert kritisieren können. Da schauen wir nicht mehr darauf, dass aus jedem Bundesland einer dabei ist. Allerdings haben wir wenige Frauen und wir versuchen, mehr Frauen für die Jury zu gewinnen.“
Jeder testet jedes Spiel
Jedes Mitglied testet jedes Spiel, das die Verlage dem Verein zusenden. Der Austausch über die Spiele findet im Internet statt. Persönliche Treffen der Jury gibt es bei Klausurtagungen, Vereinssitzungen, Messen oder bei Wochenenden, an denen die Jury gemeinsam komplexere Spiele erprobt.
Wird ein Spiel für das „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet, kann der Verlag das Logo des Vereins auf die Spielepackung drucken. Dafür zahlt der Verlag Lizenzgebühren an „Spiel des Jahres“. Dieses Geld nutzt der Verein, um mit Förderungen von Spieleaktionen in beispielsweise Vereinen, Schulen oder Kommunen die Stellung des Kulturgutes Spiel in der Gesellschaft zu stärken und um Aktionen wie „Spielend gesund werden“ oder „Spielend für Toleranz“ zu finanzieren. Bei ersterer werden Kinderkliniken hochwertige Spiele zur Verfügung gestellt und erfahrene Spiele-Erklärer in die Krankenhäuser entsandt.
Spielend für Toleranz
Bei „Spielend für Toleranz“ unterstützt der Verein dezentrale „Spielend für Toleranz – gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“-Veranstaltungen und finanziert dafür Servicepakete mit zahlreichen Spielen, die ohne tiefere Deutschkenntnisse spielbar sind
Spielen birgt einen Mehrwert für die Gesellschaft
Bernhard Löhlein findet, spielen sei nicht nur lustig, sondern fördere die soziale Kompetenz und die Teamfähigkeit. Spaß und Freude hätten alle am Spielen zudem nur, wenn alle fair seien und ihren Mitspielern Respekt zollen. Fazit: Spielen birgt einen hohen Mehrwert für die Gesellschaft.
21. August 2020: Christa Knappik – die Artenschutzbotschafterin
Den Zoo als Ort der Bildung und der Aufklärung zu verstehen, ermöglichen ehrenamtliche Artenschutzbotschafter. Eine von circa 80 Artenschutzbotschafter des Hellabrunner Tierparks ist Christa Knappik. „Ehrenamt macht man als Überzeugung. Man macht es, weil man es gerne tut“, findet die Münchnerin. Seit 35 Jahren engagiert sie sich freiwillig. Begonnen hat die freiberufliche Spielepädagogin im Ruhestand als Spielplatz- und Spielepatin. Es folgten Flüchtlingshilfe, Kommunalpolitik sowie Engagement im Verein zur „Erhalt und Pflege des Perlacher Forst“. Zudem versteht sich die Clownin, die, wie sie sagt, bei Münchens Kinder als „Die dumme Augustine“ bekannt ist, als Botschafterin der Kinderrechte und ist Mitglied im „IPA – International Play Association promoting the child’s right to play“. Vor fünf Jahren kam das Ehrenamt der Artenschutzbotschafterin dazu. Im Ehrenamt der Woche erläutert Christa Knappik, wie sich diese Arbeit gestaltet.
Sie war nicht als Besucherin auf der Münchner Freiwilligen Messe damals vor fünf Jahren im Gasteig, sondern selbst an einem Stand beschäftigt, um Spielplatzpaten zu rekrutieren. Am benachbarten Stand hielt der Tierpark Hellabrunn Ausschau nach „Artenschutzbotschafter“. „Und ich war offen für ein neues Ehrenamt“, erzählt die 71-Jährige heute. Da sie nicht weit vom Tierpark wohnt, sah sie sich diese Form des Ehrenamtes näher an.
Artenschutzbotschafter transportieren das Thema Biodiversität an die Zoo-Besucher. Dabei erläutern die Ehrenamtlichen den Artschutz in seiner ganzen Vielfalt – also wie Menschen, Tiere und Natur eine Symbiose bilden, und alle Komponenten zusammenhängen.
„Ein Zoo ist nicht nur Event oder Vergnügen. Er hat einen klaren Bildungsauftrag“, sagt Christa Knappik. Und diesen Bildungsauftrag verwirklichen etwa 80 ehrenamtliche Artenschutzbotschafter in und an den Infomobilen.
Da steht zum Beispiel das Polarmobil vor dem Eisbärengehege. Es zeigt Exponate wie einen Eisbärenschädel und Christa Knappik erzählt den Besuchern dabei nicht nur, dass der Eisbär vom Aussterben bedroht ist, sondern wie der Klimaschutz und die Verschmutzung der Weltmeere damit zu tun haben. „Dabei geben wir Ratschläge, wie jeder Einzelne einen Beitrag zum Schutz der Natur leisten kann.“
Vieles davon steht auch auf Schildern, aber wenn jemand anschaulich erzählt, können die Menschen viel mehr mitnehmen. Durch ihr Engagement mit Kindern kann Christa Knappik zudem sehr gut auf Augenhöhe mit den Kindern sprechen. „Ich frage sie dann zum Beispiel: Was haben Eisbären und Kinder gemeinsam? Die Antwort: Stoppersocken“, erklärt die Artenschutzbotschafterin ihr Vorgehen. So ist das Eis gebrochen und sie kommt mit den Menschen ins Gespräch.
Das Ehrenamt des Artenschutzbotschafters ist ein sehr kommunikatives Ehrenamt. Für Christa Knappik ist das kein Problem. Für manch andere mag dies eine Hürde sein, aber bevor man Artenschutzbotschafter wird, werden mehrere Fortbildungen durchlaufen. Dort lernen sich die designierten Botschafter in die Themen ein. Im weiteren Verlauf gibt es ein Mentorenprogramm, bei dem erfahrenen Artenschutzbotschafter Neulinge betreuen.
Bei diesem Ehrenamt lernt man nie aus. Das sei die große Herausforderung bei dem Engagement. „Gerade jetzt habe ich mich zum Thema Artenschutz und Pandemien viel eingelesen“, erzählt Knappik. Auch aktuelle politische Themen müssen immer wieder in den großen Bereich „Biodiversität“ eingearbeitet werden. „Es gibt viele Schlagwörter in den Medien, die die Menschen aufgreifen, und unsere Aufgabe ist es dann, zu erklären, was dahintersteckt.“
Persönliche Erfahrungen arbeitet Knappik mit ein. Sie war beruflich eine Weile in Brasilien und hat vor Ort miterlebt, was dort in der Natur stattfindet. Auch deshalb ist ihr Lieblingsmobil das Dschungelzelt. „Da geht es um das Thema Regenwald, Vögel fliegen umher, es ist warm und der Leguan spaziert vorbei. Mit echtem Dschungelfeeling erzähle ich dann, was im Urwald geschieht.“
Manchmal schnappt sie sich die Infotasche und erläutert während eines Spaziergangs, warum die Erde Mangroven braucht. Am neuen „Mühlenhof“ – ein Infomobil über einheimische Tiere – erzählt sie über das Murnau-Werdenfelser-Rind, das vom Aussterben bedroht ist.
Die Artenschutzbotschafter verrichten etwa zwei Mal im Monat Dienst – jeweils von 12 bis 15 Uhr. Wer möchte, darf öfter. „Im Winter mache ich wöchentlich Dienst, weil man mich im Sommer woanders in München trifft – auf dem Spielplatz oder im Kinderzirkus“, erläutert Christa Knappik ihren Zeitplan, in den sie ihre anderen Ehrenämter noch unterbekommen möchte.
Jeden Tag sind Artenschutzbotschafter im Tierpark anzutreffen. Berufstätige Menschen engagieren sich am Wochenende, Rentner und Studenten unter der Woche. „Die Fluktuation ist sehr gering“, erzählt Knappik. „die Menschen geben dieses Amt eigentlich nur aus gesundheitlichen Gründen auf oder weil sie wegziehen oder ihre Arbeit wechseln.“
Das Ehrenamt des Artenschutzbotschafters ist kein Alleinstellungsmerkmal des Hellabrunner Tierparks – es gibt ihn in vielen Zoos. „Vor einiger Zeit war ich in Kanada und da habe ich im Zoo in Calgary den Artenschutzbotschaftern zugehört,“ erinnert sich Knappik.
Ihren Auftrag als Artenschutzbotschafterin sieht Christa Knappik als Beitrag für die Zukunft: „Damit meine beiden Enkelkinder noch das erleben können, was ich erlebt habe.“
12. August 2020: Zum Internationalen Tag der Jugend – Jugendliches freiwilliges Engagement
„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“ Schade, dass sich Aristoteles (384-322 vor Christus) nicht mit einer Zeitmaschine ins Jahr 2020 beamen lassen konnte - er wäre nicht mehr so pessimistisch eingestellt. Laut dem Freiwilligensurvey Bayern engagieren sich 54 Prozent der 14 bis 24-Jährigen ehrenamtlich. Blickt man auf die Erhebungen aus den Jahren zuvor zurück, ist die Tendenz steigend. Deshalb schauen wir uns in dieser Woche mehrere „junge Engagements“ an. Auch im Hinblick auf die Reaktionen der Umgebung.
Denn im Abschlussbericht des Programms „U_Count“, das von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung initiiert und vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend gefördert wurde, heißt es unter anderem: „Das teilweise negative Ansehen von freiwilligem Engagement in der Gesellschaft hemmt junge Menschen, selbst ein Engagement aufzunehmen. Besonders bei nicht engagierten Gleichaltrigen stoßen sie dabei punktuell auf abweisende Reaktionen, die sie davon abhalten, sich zu engagieren oder ihr Engagement öffentlich zu kommunizieren. Deshalb wünschen sie sich Maßnahmen und Kampagnen, die das Ansehen von freiwilligem Engagement in unserer Gesellschaft stärken“.
Die Ministranten auf Leiterebene
Über den Dienst am Altar hinaus: Das ist für Theresa Hepfengraber (19) und Stefan Heumann (25) das „Ministrantsein“. Der Versicherungskaufmann, der nebenberuflich Wirtschaftspsychologie studiert und die angehende BWL-Studentin, die bis vor Kurzem ihren Bundesfreiwilligendienst in einer heilpädagogischen Kindertagesstätte ableistete, sind bzw. waren in ihrer jeweiligen Pfarrei Oberministranten, sind in der Dekanatsleitung (Dekanat Inntal) tätig und sind im diözesanen Ministrantenverband der Erzdiözese München-Freising im Vorstand engagiert. Dieser Verband ist Deutschlands erster bistumsumfassende Jugendverband für Ministranten und Theresa und Stefan waren bei seiner Gründung 2017 maßgeblich beteiligt.
Für ihr umfassendes Engagement investieren beide jeweils etwa 40 Stunden im Monat. Als Oberministranten leiteten sie die Pfarreigruppen und auf Dekanatsebene sind sie Ansprechpartner für Pfarreigruppen und organisieren Aktionen wie beispielsweise den Dekanatsministrantentag. Auf Diözesanebene treffen sie sich im Vorstand und arbeiten in Arbeitskreisen.
Erwachsene Menschen finden das Engagement von Theresa und Stefan toll. „Sie bewundern mein ausgeprägtes Engagement, die Liebe und die Zeit, die ich investiere“, erzählt Theresa Hepfengraber.
Bei Gleichaltrigen fehle oft das Verständnis für ihre Einstellung zum Glauben und dass sie freiwillig so viel Zeit investiere. Blöde Kommentare musste sie sich schon anhören, weil sie Samstag erst nach der Abendmesse Zeit hatte oder Sonntag um 10 Uhr fit für den Gottesdienst sein wollte. In der Schule wurde sie manchmal in die „brave Schublade“ gesteckt.
Für Stefan Heumann war es in der Realschulzeit mit Gleichaltrigen zuweilen schwierig. „Ministrieren war nicht so cool wie Fußball“, erzählt er. „Es gab viele Vorurteile. Die Gleichaltrigen haben auch nur das reine Messdienen gesehen und nicht die Gruppenarbeit.“ Er sei dann oft in die Offensive gegangen. „Ich habe gesagt: Komm doch mal mit in eine Gruppenstunde und schau es dir an. Aber das wurde dankend abgelehnt.“
Als Gruppenleiter und mit der Gruppenarbeit bekam er aber viel Anerkennung, da konnte er leichter über die Sprüche hinwegsehen. „Da ist das Feeling ganz anders. Man bekommt andere Einblicke und durchlebt selbst eine Entwicklung. Unter den Gleichgesinnten lädt man seine Akkus auf. Man spürt, es gibt noch viele weitere.“
Auf die Frage, warum sie gerne Ministranten sind antwortet Theresa Hepfengraber: „Ich empfinde meinen Glauben als wichtig und Halt gebend. Das Vertrauen, dass Gott mich stets begleitet und dass Gefühl von dazu zu gehören, möchte ich auch meinen Minis vermitteln. Zudem macht es mir sehr viel Spaß, in der Organisation tätig zu sein, zu planen und Gruppen zu leiten. Als Pfarreigruppenleitung kann man „im geschützten Rahmen“ sich selbst ausprobieren und in meinem Engagement konnte ich viele neue, unbekannte Arbeitsfelder ausprobieren. Durch mein Engagement habe ich viele neue Menschen kennengelernt und Freundschaften knüpfen können. Außerdem war und ist mein Ehrenamt für mich persönlichkeitsbildend und ermöglicht mir eine äußerst vielseitige Reflexion meines Glaubens. Ich bin der Meinung, Ministrant zu sein umfasst mehr als nur den Dienst am Altar. Ministrant zu sein ist cool."
Für Stefan Heumann geht sein Engagement als Ministrant auch über das Katholische hinaus. Für ihn sind das Soziale, die Gemeinschaft und die Freunde, die er gefunden hat, sehr wichtig. Er fasst sein Engagement so zusammen: „Es ist Leidenschaft“.
Der junge Politiker
Deine Stimme für deine Stadt – das ist das Motto des Jugendparlaments Aschaffenburg. Damit ermöglicht die fränkische Stadt seit Anfang 2019 den Bürgern unter 18 Jahren ihre Anliegen, Ideen und Meinungen gegenüber der Stadtverwaltung und dem Stadtrat zu äußern. 19 gewählte Vertreter, die bei Beginn der zweijährigen Legislaturperiode zwischen 13 und 17 Jahre alt waren und im Stadtgebiet wohnen, treffen sich einmal im Monat im großen Plenum und arbeiten in der übrigen Zeit in Arbeitskreisen – ähnlich wie der Bundestag. Vorsitzender des Jugendparlaments Aschaffenburg ist der mittlerweile 18-jährige Philipp Köhler. Als die Projektleiterinnen die Idee zum Jugendparlament damals in den Schulen vorstellten und für Bewerber warben, wusste der Abiturient sofort: „Das ist was für mich. Das kommt zum richtigen Zeitpunkt.“
Für Politik begann er sich in der 8. Klasse zu interessieren. Geschichte und Sozialkunde, in denen viele Klassendiskussionen stattfanden, waren seine Lieblingsfächer. Später engagierte er sich zum Beispiel beim „European Youth Parliament“. Im Januar 2019 wurde er nach einer einwöchigen Wahl in Schulen und Jugendtreffs und 37 Prozent Wahlbeteiligung – „Für das, dass es das erste Mal war, war die Wahlbeteiligung sehr hoch“ – zum Vorsitzenden des Jugendparlaments Aschaffenburg gewählt. In Abwesenheit. Er selbst war in dieser Zeit bei einem Projekt des „European Youth Parliament“, aber seine Parlamentskollegen wussten von seiner Erfahrung. „Die wussten, dass ich politisch aktiv bin – dadurch wurde ich gewählt.“
Die meiste Arbeit steckt in den Arbeitskreisen. Das Jugendparlament beschäftigt sich mit Stadtgestaltung, Umwelt und ÖPNV. Erfolge bleiben nicht aus. Nur zwei Beispiele: Anfang August wurde ein Beachvolleyplatz eingeweiht, den das JuPa initiiert hat und am Mainufer wurden Bäume gepflanzt. A propos Mainufer: Auch da finden Parlamentssitzungen statt – nicht nur im Rathaus. Wichtig ist dem JuPa zudem, dass sich weitere Jugendliche für Politik interessieren. Dafür veranstalteten die Parlamentarier zur Stadtratswahl 2020 einen Poetry Slam, bei dem Stadtratsbewerber auf unkonventionelle Weise erläutern sollten, was sie erreichen wollen. „Da waren viele Jugendliche da“, erinnert sich Köhler an die Vor-Corona-Zeit.
Philipp Köhler ist froh, dass das Jugendparlament so viel Unterstützung von der Stadt bekommt. Als Vorsitzender leitet der die Sitzungen und ist Bindeglied zum Oberbürgermeister. „Er ist immer beim Plenum dabei und bei Aktionen immer ein Vertreter der Stadt“. Viel positives Feedback für sein Tun bekommt er von Erwachsenen. „Von Gleichaltrigen bekomme ich meist kein Feedback. Aber eben auch kein negatives Feedback.“
Philipp Köhler ist ein wenig wehmütig, dass er ab der nächsten Legislaturperiode wegen seines Alters nicht mehr mitmachen kann. Denn das Jugendparlament ist nicht nur ein Arbeitsparlament – es wurde auch „das Miteinander erarbeitet“. Er hofft, sich weiter politisch engagieren zu können. „Es ist ein super Gefühl, seine Stadt mitzugestalten. Ich hoffe, durch unsere Aktionen, den Anreiz geschaffen zu haben, dass sich mehr Leute engagieren. Dass sich bei der nächsten Wahl mehr Leute bewerben und die Wahlbeteiligung größer ist.“
Feel F.R.E.E. – das Einstiegsjahr für Schüler in das Ehrenamt
Feel F.R.E.E – ist für die Freiwilligenmanagerin des Landratsamt Würzburg Kerstin Gressel nicht nur ein Job. Es ist Herzensangelegenheit. Sie hob das Projekt im Schuljahr 2015/2016 aus der Taufe – seitdem haben über 340 Jugendliche mitgemacht. Worum es geht: Ehrenamtliche Berater fühlen jugendlichen Interessierten ab 13 Jahren auf den Zahn, wo ihre Interessen liegen. „Es soll nicht darum gehen: Die Mama hat gesagt, das ein oder andere wäre toll“, betont Kerstin Gressel.
Ist das Richtige gefunden, wird der Jugendliche an eine Ehrenamtsstelle vermittelt oder übernimmt eine Aufgabe seines Stammvereins, in dem er bislang „nur“ Teilnehmer war. „Zum Beispiel als Übungsleiterassistent. Oder er organisiert ein Projekt“, erläutert Gressel. Eine verantwortliche Tätigkeit dürfe der Jugendliche selbstverständlich noch nicht übernehmen. Der zeitliche Ablauf orientiert sich am Schuljahr– wegen des Stundenplans der Jugendlichen. Viele Jugendliche bleiben dann in der Institution oder sind „Wiederholungstäter“ im Programm. Da ist es dann allerdings wichtig, dass sie ein neues Projekt übernehmen.
Dass Feel F.R.E.E ab 13 Jahren ist, ist etwas Besonderes. „Dieser Wunsch kam von den Mittelschulen, da die dortigen Schüler ab 14 Jahren meist schon in den Abschlussprüfungen stecken. Und jetzt bin ich sehr froh, dass wir es ab 13 Jahren anbieten.“ Viele Programme, die sich an Jugendliche richten, starten mit einem Einstiegsalter ab 14 Jahren. Kinder mit 13 Jahren hängen oft in der Luft. Für die einen Angebote sind sie zu alt, für die anderen zu jung. Aber gerade die 13-Jährigen seien sehr engagiert in ihrem Tun und im Anschluss wahnsinnig stolz, auf das was sie geschafft haben und auf das Vertrauen in sie.
Projektleiterin Gressel kommt aus dem sozialpädagogischen Bereich. Daraus machte sie die Erfahrung, dass bei Jugendlichen viel Unwissenheit über das Ehrenamt herrsche. „Jugendliche haben keinen Bezug mehr zum Ehrenamt,“ sagt sie. Die Bereitschaft, freiwillig Zeit zu spenden, werde nicht mehr oft vorgelebt und oft seien Jugendliche der Meinung, dass Aufgaben, die beispielsweise Übungsleiter in ihren eigenen Verein ausüben, hauptamtlich seien.
Vorstandsmitglied im „Kreativ-Kollektiv“ - rehab republic e.V.
Yeah statt Buh! Janna Jung-Irrgang ist Vorstandsmitglied bei „rehab republic e.V.“. Formell gesprochen ist „rehab republic e.V.“ ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Bewusstseins für eine nachhaltige Entwicklung. Sie selber nennen sich ein „Kreativ-Kollektiv“, das mit vielen kleinen Schritten Routinen ändern möchte, um somit die Welt nachhaltiger zu gestalten. Janna Jung-Irrgang fällt mit ihren 28 Jahren zwar nicht mehr ganz unter die Kategorie „Jugendliche“, aber sie hat sich zu dem Thema, ob es von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen abweisende Reaktionen geben würde, intensive Gedanken gemacht. Sie schreibt uns auf die Frage, ob es auf ihr ehrenamtliches Engagement schon negative Reaktionen gab:
„Grundsätzlich - negative Reaktionen sind selten. Ehrenamtliches Engagement ist in meiner gesellschaftlichen Umgebung anerkannt, wird als wertvoll wahrgenommen und auch gelobt. Insbesondere in der 'Blase' von sozial-ökologischer Transformation, politischer und zivilgesellschaftlicher Arbeit haben der Großteil der Menschen ein Ehrenamt und unterstützen sich gegenseitig. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass ich meine Erzählung/Erklärung über mein Tun an den jeweiligen Kontext anpasse. Wenn nicht Abweisung, so gibt es definitiv Unverständnis, Fragen nach dem 'Sinn', 'Aufopferung' oder 'Geltungsbedürfnis', was meine Aktivität treiben könnte. In manchen Umfeldern wird das Ehrenamt schnell als Hobby, nachrangig oder nicht so ernsthaft wahrgenommen. Konkret habe ich schon Kommentare dazu gehört, dass unsere Arbeit ja vermutlich nicht viel bringen würde, dass ich nicht so viel unbezahlt arbeiten solle, oder dass jemand anders das ja nie machen könne, selbst wenn es irgendwo abstrakt bewundernswert sei. In meiner Erfahrung hat dies mehr mit dem gesellschaftlichen, sozialen, auch politischen Kontext zu tun als mit dem Alter der Gegenüber. Negative Reaktionen oder Unverständnis gibt es unabhängig vom Alter eher von Menschen, die wenig politisch aktiv sind oder an wirtschaftsgetriebenen statt zivilgesellschaftlichen Wandel glauben. Ehrenamt wird dann in meiner Erfahrung häufig als etwas angesehen, dass sich insbesondere ältere Menschen 'gönnen' können, wenn sie sonst nicht viel zu tun haben. Für Jüngere kann es als ablenkend, unsinnig oder selbstreferenziell wahrgenommen werden.“
31. Juli 2020 – Eva Maria Weigert und ihr Projekt „Freudentanz. Das grenzenlose Tanzprojekt“
Musik und Tanz verbindet Menschen ohne Worte. Das dachte sich Eva Maria Weigert aus München vor 20 Jahren, als an einem grauen Regentag – im Oktober 2000 – in einem Flüchtlingsheim die Idee entstand, sich gegenseitig das Tanzen beizubringen. Das Projekt „Freudentanz“ war geboren. Die Flüchtlingskinder der ersten Generation „Freudentanz“ sind heute erwachsen und geben das weiter, was sie gelernt haben. Die verschiedenen Tanzgruppen von „Freudentanz“ treten in Seniorenheimen, in Kirchengemeinden oder bei Stadtteil- und Betriebsfesten auf und spiegeln dort kulturelle Vielfalt wieder. In den Ferien bietet „Freudentanz“ Trainingscamps an, in denen nicht nur trainiert, sondern auch außerhalb des Trainings Zeit miteinander verbracht wird. Während der Corona-Krise fand kein Tanztraining statt. Die Helfer unterstützten Flüchtlingsfamilien online mit Nachhilfe oder bei den Hausaufgaben und unternahmen Spaziergänge in kleinen Gruppen. Initiatorin und Organisatorin von „Freudentanz“ ist Eva-Maria Weigert. Wir baten sie, ihr ehrenamtliches Projekt näher zu erläutern.
Sehr geehrte Frau Weigert, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Eva-Maria Weigert, Tausendsassa, 65 Jahre, Goldschmiedin, Sozialtrainerin, Lebenscoach und Freudentänzerin.
Wie viele Kinder haben bei Freudentanz schon mitgemacht?
Seit dem Start im Oktober 2000 haben jährlich an die 1000 Teilnehmer mitgemacht. Die Flüchtlingskinder der ersten Generation sind heute erwachsen, gut integriert und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Viele helfen immer wieder im Projekt mit und geben das weiter, was sie gelernt haben.
Wie oft trainieren sie?
Dreimal wöchentlich treffen wir uns für einen Nachmittag mit den Kindern einer Flüchtlingsunterkunft. Wir helfen bei den Hausaufgaben, spielen und trainieren. Wichtig sind immer das Miteinander und das Sozialtraining. In den Ferien unternehmen wir mehrmals wöchentlich Ausflüge und veranstalten Trainingscamps mit Gruppen von zehn bis zwölf Kindern und Tanzwettbewerbe sowie Tanzauftritte.
Wieviel Ehrenamtliche sind bei „Freudentanz“ tätig?
Freudentanz ist ein Selbsthilfeprojekt - die älteren Kinder trainieren die Jüngeren. Bei Ausflügen, beim Tanzwettbewerb und in der Organisation machen an die 20 jugendliche Helfer mit und 20 Erwachsene engagieren sich mit unterschiedlicher Stundenzahl pro Jahr.
Sind das alles Tanzlehrer?
Nein. Wer mitmachen will, braucht nur ein großes Herz für Menschen, Flexibilität und Humor.
Wo trainieren die Kinder?
Die Kinder trainieren im Normalfall entweder in einem der Spielzimmer oder im Keller in der Flüchtlingsunterkunft und im Jugendzentrum in der Einsteinstraße in München. Bei schönem Wetter wird draußen auf dem Gelände getanzt. Derzeit trainieren wir nur im Jugendzentrum und an der frischen Luft.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Ihrem Engagement?
Jede neu sich konstituierende Gruppe muss sich erst „zusammenfinden“. Ein wichtiger Teil des Gruppenprozesses ist deshalb das soziale Training mit Spielen, Diskussionen und stabilisierenden Ritualen und Strukturen. Zudem ist der gute Kontakt zu den Eltern wichtig.
Wie sehen Sie die Zukunft von Freudentanz?
Wir machen weiter, denn Freudentanz ist viel mehr als Tanztraining. Wir bieten Kindern eine positive Freizeitgestaltung, Unterstützung, Persönlichkeitsförderung und Herzensbildung. Wir erleben, wie positiv sich die Kinder verändern. Die Kinder wachsen zu einer Gruppe zusammen und haben gelernt, sich zu unterstützen, als Team und als Freunde zu agieren. Das bestätigen auch immer wieder Jugendliche und junge Erwachsene, die als Kinder bei Freudentanz mitgemacht haben und die heute berichten, wie wichtig dies Projekt für ihre Entwicklung war. Aussagen wie: „Das Tanzen war das Schönste in meiner Kindheit“ sind oft zu hören.
Welche Wünsche und Verbesserungsvorschläge haben Sie, damit ehrenamtliches Engagement sich noch besser realisieren lässt?
Ehrenamtliches Engagement erfordert Leidenschaft und Zeit. Viele meiner Helfer spenden kostbare Lebenszeit und investieren nachhaltig in die Verbesserung unserer Gesellschaft. Ich wünsche mir mehr Anerkennung und Vergünstigungen für ehrenamtlich tätige Mitbürger sowie mehr finanzielle Unterstützung für Non Profit Organisationen.
24. Juli 2020: Ursula Holzfurtner und Monika Winkler vom Kinderschutzbund Regen-Viechtach e.V.
Er setzt sich für die Rechte aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland ein: Der 1953 in Hamburg gegründete Deutsche Kinderschutzbund (DKSB). Er teilt sich in 16 Landesverbände und über 400 Ortsverbände auf. Der Landesverband Bayern stellt dabei 58 Ortsverbände, in dem sich über 10.000 freiwillige Helfer jeweils vor Ort in der Kinderschutzarbeit engagieren. Zwei dieser engagierten Menschen sind Ursula Holzfurtner und Monika Winkler vom Ortsverband Regen-Viechtach, der 2010 von Monika Winkler ins Leben gerufen wurde und bei dem alle Helfer ehrenamtlich arbeiten. Wir haben uns mit einigen Fragen an Ursula Holzfurtner gewandt.
Liebe Frau Holzfurtner, bitte stellen Sie sich kurz vor:
Mein Name ist Ursula Holzfurtner und ich teile mir den Vorsitz mit der Gründerin Monika Winkler. Kinder spielen in meinem Leben schon immer eine große Rolle. Ich habe 30 Jahre als Tages- und Pflegemutter viele Kinder ein Stück auf ihrem Weg begleiten dürfen. Seit drei Jahren bin ich Schulbegleiterin, was mir sehr viel Freude bereitet.
Wie viele Mitglieder hat der Kinderschutzbund Regen-Viechtach?
Momentan hat unser Kinderschutzbund ein wenig über 100 Mitglieder, davon sind etwa 25 aktiv. Wir freuen uns immer auf neue Mitglieder, wobei es schwierig ist, Aktive zu motivieren.
Welchen Aufgaben stellt sich ihr Ortsverein?
Bei uns gibt es vielfältige Aufgaben. Angefangen von der Kleiderkammer, bei der Bedürftige kostenlose Kleidung bekommen, geschulte Familienpaten, die in Familien Hilfe zur Selbsthilfe bieten oder den begleiteten Umgang, das bedeutet, Hilfe, wenn das Jugendamt das Umgangsrecht nur als begleiteten Umgang gewährt. Beim Elterncafe mit Schwerpunkt Integration findet unter anderem ein interkultureller Austausch statt und beim Kindercafe können sich Kinder ab fünf Jahren spielend und mit verschiedenen Aktivitäten kennenlernen. Wir organisieren Ferienfreizeiten, Kinderbastelnachmittage oder wirken bei Aktivitäten von Netzwerkpartnern mit. Wir arbeiten mit Kindergärten und Grundschulen zusammen und bieten Familien, die kein Auto haben, Fahrdienste zum Beispiel für Behördengänge.
Haben Sie genug freiwillig Engagierte für diese vielfältigen Aufgaben des Ortsverbandes?
Wir freuen uns über jeden, der unterstützen möchte. Unsere Familienpaten z.B. sind voll ausgelastet, deshalb würden wir uns wünschen, dass sich noch mehr für dieses Amt entscheiden. Derzeit betreuen wir etwa zwölf Familien. Auch bei den Fahrdiensten haben wir mehr Bedarf als Helfer.
Was sind für Sie die größten Erfolge ihrer ehrenamtlichen Arbeit?
Unsere größten Erfolge sind Kinderlachen, glückliche Kinder und zufriedene Eltern. Unser Elterncafé mit den Deutschkursen ist für mich persönlich ein großer Erfolg. Zu sehen, wie die Damen Vertrauen zu uns gefasst haben, ist gelebte Integration.
Wie schaut die Arbeit als Vorsitzende im Ortsverband aus?
Ich bin in allen Bereichen tätig, angefangen von Deutschdozentin, Familienpatin, Freizeitaktivitäten bis zum begleiteten Umgang. Monika Winkler ist ebenfalls als Familienpatin, und im begleiteten Umgang tätig. Vor allem unser Büro mit allen schriftlichen und bürokratischen Aufgaben ist mit Monika Winkler bestens aufgestellt.
Welche Herausforderungen sehen Sie in Ihrem Ehrenamt?
Größte Herausforderung für mich war bis jetzt, eine Familie bei einem schweren Schicksalsschlag zu begleiten. Eine weitere große Herausforderung für mich und Monika Winkler ist, Spenden und Förderungen für unseren Kinderschutzbund zu bekommen, damit wir weiterhin Kinderlachen und glückliche Familien erleben können.
Lesen ist Kino für den Kopf - und schafft gleichzeitig Zugang zu Wissen. Unter dem Dach des Bundesverbandes „Mentor – Die Leselernhelfer“ fördern etwa 12.500 ehrenamtliche Lesementoren mehr als 16.500 Schüler in Deutschland. Ziel dabei ist, die Lesekompetenz der Schüler zu verbessern, das Textverständnis zu fördern und den Wortschatz der Schüler zu erweitern.
Auch in Bayern helfen viele Lesementorinnen und Lesementoren Kindern – sie betreuen je ein Kind über das gesamte Schuljahr außerhalb der Schulzeit. Die Lesementoren erhalten vor ihrem ersten Einsatz eine Schulung durch den Bundesverband. Elf Vereine in Bayern mit einer Vielzahl an Standorten vermitteln die Lesementoren. Einer dieser Institutionen ist die Freiwilligen Agentur Landshut (fala). In ihren Reihen engagiert sich die Steuerberaterin im Ruhestand Paula Zöller als Lesementorin. Wir haben sie befragt.
Sehr geehrte Frau Zöller, wie gestaltet sich ihr ehrenamtliches Engagement als Leselernhelferin – außerhalb von Corona-Zeiten?
Einmal pro Woche treffe ich einen Schüler nach der Mittagspause in seiner Schule. Zu Beginn einer Stunde lasse ich ihn über die vergangene Woche erzählen und anschließend beginnen wir mit einem Lesestück. Dabei kommt es mir sowohl auf das flüssige Lesen als auch auf die Wiedergabe des Gelesenen an und das Lesen soll Spaß machen. Da ich im Laufe der Zeit herausgefunden habe, dass er sich für Sport- und Abenteuergeschichten interessiert, wähle ich entsprechende Texte aus. In den Zwischenpausen machen wir Ballspiele oder ein Rätsel.
Wie kamen Sie zu Ihrem Engagement als Leselernhelferin?
Zu dem Engagement kam ich durch eine Freundin, die bereits in einem Kindergarten Vorlesepatin ist und über Artikel über die Freiwilligenagentur Landshut in der Lokalzeitung.
Wie lässt sich ihr Engagement mit Ihrem Privatleben vereinbaren?
Leicht, da ich, ebenso wie mein Mann nicht mehr berufstätig bin.
Wie viele Stunden pro Woche investieren Sie in Ihr Engagement?
Etwa zwei bis drei Stunden. Inklusive der Buch- und Spieleauswahl
Welche Wünsche haben Sie, damit sich ehrenamtliches Engagement noch besser realisieren lässt?
Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen ehrenamtlich Tätigen und den unterstützenden Netzwerken, wie der Freiwilligenagentur (fala) hier in Landshut. Die Vorbereitung auf meine Tätigkeit durch die fala war sehr gut und der Erfahrungsaustausch mit anderen Lesementoren, auch von der fala ausgerichtet, ist immer sehr hilfreich.
Sehr geehrte Frau Zöller, vielen Dank für Ihre Auskunft und weiterhin alles Gute für Ihr freiwilliges Engagement als Lesementorin.
03. Juli 2020 - Freiwilliges Engagement bei Condrobs
1971 gründete eine Gruppe Eltern drogenabhängiger Kinder eine Selbsthilfe-Initiative – mittlerweile ist „Condrobs“ ein überkonfessioneller Träger mit über 70 Einrichtungen in ganz Bayern, dessen Engagement weit über die Suchthilfe hinausgeht. Condrobs hilft Suchtgefährdeten und -kranken, aus ihrer Sucht auszusteigen und in ein selbstbestimmtes, gesundes Leben sowie in Arbeit zurückzukehren. Parallel dazu unterstützt der Verein die Angehörigen und ist in der Hilfe für Geflüchtete, der Altenhilfe, der psychiatrischen Versorgung sowie im Ausbildungs- und Beschäftigungsbereich aktiv.
Dabei greifen zahlreiche freiwillig Engagierte den circa 800 hauptamtlichen Mitarbeitern unter die Arme. Zwei von ihnen sind Rebecca und Anna. Die beiden 25-jährigen Studentinnen engagieren sich jeweils sieben Stunden pro Woche im Kontaktladen „Limit“ in München. Dort finden Menschen mit Drogenproblemen, Substituierte oder auch Angehörige anonyme und kostenlose Unterstützung, Beratung und warme Mahlzeiten. Darüber hinaus können sie Spritzen tauschen oder Waschmaschine, Trockner und die Kleiderkammer nutzen. Rebecca und Anna haben uns ein paar Fragen zu ihrem Ehrenamt beantwortet:
Wie schaut ihr ehrenamtliches Engagement bei Condrobs aus?
Rebecca: Einmal die Woche beteilige ich mich an der Arbeit im Kontaktladen: von Essensausgabe über Spritzenausgabe bis hin zu Telefonaten mit Behörden und Beziehungsarbeit mit den Klient*innen ist alles dabei. Hin und wieder begleite ich Klient*innen auch zu Beratungsstellen außerhalb des Kontaktladens.
Anna: Ich helfe normalweise immer freitags im Kontaktladen „limit“ aus. Hier helfe ich beim Vorbereiten des Mittagessens, unterstütze bei der Ausgabe des Essens, der Tafellebensmittel und der Spritzen. Ansonsten übernehme ich spontan anfallende Aufgaben, wie beispielweise die Kasse für das Mittagessen und den Kaffee, oder das nachträgliche Putzen des Kontaktladens nach den Öffnungszeiten.
Wie kamen Sie zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement bei Condrobs?
Rebecca: Ehrenamtlich engagiere ich mich bereits, seit ich 17 bin. Da leitete ich das Training einer Fechtgruppe mit. Mit Beginn des Studiums arbeitete ich erst im Bereich der Geflüchteten-Hilfe. Nach einem zehnmonatigen Studienaufenthalt in Athen und meinem Engagement in der Geflüchteten-Hilfe vor Ort, beschloss ich, mich einem anderen gesellschaftlich relevanten Bereich zu widmen. Dank der Offenheit des Teams im „limit“ durfte ich dort hospitieren und schließlich auch ehrenamtlich arbeiten.
Anna: Ich wollte schon länger eine ehrenamtliche Tätigkeit übernehmen, und da ich mir gut vorstellen kann, in Zukunft in der Drogenhilfe tätig zu sein, habe ich mich über Einrichtungen in München informiert und bin somit über das Internet an Condrobs gelangt.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Ihrem Engagement?
Rebecca: Als besonders herausfordernd empfinde ich die Abgrenzung zu den Anliegen der Klient*innen. Zwar eröffnet mir das Ehrenamt die Möglichkeit, das Team und die Klient*innen zu unterstützen, die Unterstützung kann aber aufgrund der begrenzten Zeitressourcen immer nur partiell stattfinden. Das zu akzeptieren und einen produktiven Umgang damit zu finden, stellt für mich die größte Herausforderung im Rahmen meines Ehrenamts dar.
Anna: Ich würde sagen, dass es eine besondere Herausforderung ist, mit Klient*innen in Kontakt zu kommen. Da ich nur einmal die Woche da bin, kenne ich immer noch wenige Namen und viele der Klient*innen kennen mich nicht oder nur flüchtig. Außerdem war es für mich ungewohnt, offen über den Konsum illegaler Drogen zu sprechen, weswegen mir es am Anfang ein wenig schwer fiel, Klient*innen direkt darauf anzusprechen oder in Gesprächen darauf einzugehen. Auch kannte ich mich am Anfang thematisch nicht so gut aus, was es mir manchmal schwerer machte, die Besucher*innen zu beraten. Beides hat sich aber jetzt mit der Zeit gelegt, da ich nun mehr Wissen darüber habe und ich kann nun besser mit den Situationen umgehen.
Wie lässt sich ihr Engagement mit Ihrem Privatleben vereinbaren?
Rebecca: Ich habe keinerlei Schwierigkeiten mein Engagement mit meinem Privatleben zu vereinbaren. Vielmehr habe ich durch die Arbeit neue Freund*innen gewonnen, mit denen ich gerne Zeit verbringe
Anna: Bis jetzt lässt es sich gut mit meinem Privatleben vereinbaren, da ich meistens am Wochenende arbeite und in der Regel an nur drei Wochentagen mir der Uni beschäftigt bin. Ich habe also noch zwei Tage frei, von denen ich gerne einen Tag ehrenamtlich nutze. In Zukunft weiß ich jedoch nicht, wie es weiterlaufen wird, sollte ich in den höheren Semestern mehr eingespannt sein.
02. Juni 2020 - Wandern und Kultur im Bayerischen Wald dank Ehrenamt
2020 fällt die Feriengestaltung wegen der Corona-Krise anders aus als üblich und viele Bayern verbringen ihre Ferien in der Heimat. Hauptaktivität ist da das Wandern – denn Bayern hat neben den Alpen auch Mittelgebirge oder Biospährenreservate zu bieten, durch die sich viele Wanderwege schlängeln und die oft von ehrenamtlichen Helfern gepflegt und gewartet werden wie von den Mitgliedern des Wanderverbands Bayern, in dem 16 Wandervereine institutionalisiert sind. Einer davon ist der Bayerische Wald-Verein, dessen 20.000 Mitglieder wiederum in 58 Sektionen organisiert sind. Eine Sektion ist der Waldverein Zwiesel mit seinem ersten Vorsitzenden Egon Thum.
„Unsere Sektion hat viele Sachen bewegt“, erzählt Egon Thum am Telefon. Seit 2004 ist er Mitglied und ebenso lange ist er erster Vorsitzender der Sektion Zwiesel. Wie in vielen Vereinen war und ist es schwer, Nachwuchskräfte für die Vorstandsarbeit zu finden, weswegen er so schnell für die Führungsaufgabe der 700-mitgliederstarken Sektion verantwortlich wurde. „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt“, sagt er. „Die Bürokratisierung der Vereine ist so groß und das verhindert, dass ein Vorstandsteam gesundet, weil man oft mit einem Fuß im Zuchthaus steckt“, benennt der 70-Jährige die großen Herausforderungen des ehrenamtlichen Engagements im Vereinsvorsitz. Stehe gerade kein großes Ereignis an, arbeitet er etwa zwei Tage die Woche für den Verein, in denen er unter anderem für jeden Monat eine Ausschusssitzung vorbereitet. Zudem ist er Mitglied im Hauptausschuss des Bayerischen-Wald Vereins.
1883 wurde der Bayerische-Wald Verein gegründet und eine der acht Gründungssektionen war die Sektion Zwiesel – deren Mitglieder heute sogar bis von Lübeck und dem Inselstaat Neukaledonien stammen. Damals war der Tourismus in den Bayerischen Wald gekommen und die Gründer wollten mit dem Verein die nötige Infrastruktur schaffen, indem sie Wanderwege markierten, Schutzhäuser und ansprechende Unterkünfte schufen. Schon 1933 hatte die Sektion Zwiesel 144 Kilometer Wanderwege und 15 Kilometer Skiwege ausgewiesen, zudem 40 Ruhebänke im Sektionsbereich aufgestellt.
In den vergangenen 30 Jahren renovierte die Sektion die Höllbachhütte und setzte sich dafür ein, dass die Waldhütte unter Denkmalschutz gesetzt wird. Eine weitere wichtige Aufgabe des Vereins ist der Naturschutz. Dass man heute noch zu den Schachten der Region Zwiesel wandern kann, ist der Sektion zu verdanken. Schachten sind hochgelegene Weiden, fernab von Siedlungen. Ohne die Pflege der Zwiesler Sektion würden sie verwildern.
Eine weitere touristische Attraktion und Denkmal der Heimatgeschichte, die es ohne die Zwiesler Sektion nicht gäbe, sind die unterirdischen Gänge. Der 2001 bis 2005 bestehende Arbeitskreis „Unterirdische Gänge“ leitete die Erschließung und Erforschung des Gangsystems in die Wege. Das Markieren und Pflegen der Wanderwege sei in seiner Sektion wegen des hohen Durchschnittsalters der Vereinsmitglieder etwas in den Hintergrund geraten, erzählt Thum. Nun wurde im vergangenen Jahr eine Sektions-Jugendgruppe gegründet, die gerade im Aufbau ist. Finanziell beteiligte sich die Zwiesler Sektion, sowie die anderen Sektionen des Bayerischen-Wald Vereins, am Bau des Schutzhauses Falkenstein des Bayerischen Wald Vereins.
Sehr aktiv ist die Sektion Zwiesel im Bereich der Exkursionen. Der Verein organisiert Wanderungen, Rad-, Ski- und Schneeschuhtouren und Kulturfernreisen – und das, schaut man sich die Programme an – etwa fünf Mal pro Monat. Allerdings ist das Augenmerk auf den Bereich Wandern nur ein Aspekt des Vereins. Die Sektion trägt einen großen Teil zum Kulturleben der Stadt Zwiesel bei. 1965 initiierte der Verein den Kulturfilm „Ein Jahr geht übers Waldgebirg“ – noch heute wird dieser historische Streifen im Zwiesler Kino gezeigt. In der Zukunft würde der Verein diesen Film gerne digitalisieren lassen. Außerdem ist in der Sektion das „Ostbayerische Volksmusik- und Volksliederarchiv“ beheimatet. Die größte Arbeit des Vereins ist die jährliche Veranstaltung der Kunstausstellung „Zwiesler Buntspecht“. Zum 57. Mal soll die Ausstellung 2020 stattfinden. Sie zeigt einen Einblick in das Schaffen von niederbayerischen Künstlern. Malerei, Keramik und Skulpturen. Egon Thum und etwa zwei Dutzend Mitstreiter des Vereins stemmen jedes Jahr die Organisation der einmonatigen Ausstellung in Zwiesel.
Bienen sind wichtige Nutztiere zum Erhalt des Planeten Erde. Anlässlich des Welttages der Bienen am 20. Mai stellt die Ehrenamtsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Eva Gottstein im „Ehrenamt der Woche“ den Bienensachverständigen Andreas Berninger aus dem Landkreis Aschaffenburg vor .
Bei den Bienensachverständigen handelt es sich um Schnittstellen zwischen Imkern und dem zuständigen Veterinärsamt. An Bienensachverständige wenden sich Imker, wenn sie zum Beispiel eine Bienenkönigin verkaufen oder ihre Völker umziehen wollen. Die ehrenamtlich Tätigen kontrollieren die Bienenvölker auch auf Krankheiten wie die „Amerikanische Faulbrut“, die den Bienennachwuchs tötet.
Mit dem magischen Gelee Royal begann die Bienen-Leidenschaft des Andreas Berninger aus Karlstein im unterfränkischen Landkreis Aschaffenburg. Geleé Royal ist der Futtersaft, mit dem die Honigbienen ihre Königinnen aufziehen. Eine kostspielige Delikatesse, die nur wenige Imker gewinnen. Vor 20 Jahren machte sich Andreas Berninger bei verschiedenen Imkern auf die Suche nach diesem Saft. Das Einzige was er fand, war die Erkenntnis, dass er selbst mit der Imkerei beginnen müsse.
Heute ist der mittlerweile 54-jährige Gebäudemanager nicht nur leidenschaftlicher Imker, sondern zudem – alles im Ehrenamt – der zweite Vorsitzende des Bienenzuchtvereins Alzenau und Umgebung, Zuchtobmann Unterfranken, Leiter der Belegstelle Spessart und Bienensachverständiger des Kreisverbandes Aschaffenburg des Landesverbandes Bayerischer Imker. Früher war dieses Ehrenamt als „Bienengesundheitswart“ bekannt. Seit 2017 heißen die Menschen, die diese Tätigkeiten ausüben, „Bienensachverständige“.
Bienensachverständiger wird man nicht einfach so. „Man wird vom Kreisverband vorgeschlagen, wenn jemand anderes von diesem Amt abtritt“, erzählt Andreas Berninger. Dieser Vorschlag muss bei der zuständigen Behörde beantragt werden – in diesem Fall ist das das Institut für Bienenkunde und Imkerei (IBI) der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim.
Anschließend absolviert der designierte Bienensachverständige in Veitshöchheim eine mehrtägige Schulung. So startete auch Berningers Karriere. Nun besucht er jedes Jahr zwischen Ende März und Mitte Mai – das ist die Bienensaison - durchschnittlich 18 bis 20 Imker und untersucht die Gesundheit von etwa 300 bis 350 Völker. Imker wenden sich an Bienensachverständige, wenn sie zum Beispiel Bienenköniginnen verkaufen oder ihre Völker umziehen – also jenseits der Landkreisgrenzen bringen wollen. Denn dann brauchen die Imker ein so genanntes Gesundheitszeugnis für ihre Bienen – und das stellt ihnen das Veterinäramt aus, nachdem Andreas Berninger die Bienen untersucht, alles in Ordnung ist und er die Daten an das Veterinäramt übermittelt hat. Auch Imker, die sicher gehen wollen, dass ihre Völker nicht mit Krankheitskeimen oder Parasiten befallen sind, können die Dienste der Bienensachverständigen kostenlos in Anspruch nehmen.
Der Bienensachverständige untersucht die Völker nach Pilzen, Parasiten und Bakterien. Am meisten gefürchtet bei den Imkern ist die so genannte „Amerikanische Faulbrut“. Diese Krankheit tötet die Larven der Bienen und diese ist meldepflichtig. Der zuständige Amtsveterinär ordnet daraufhin entsprechende Maßnahmen an.
„Die Untersuchung erfolgt mit allen Sinnen“, erläutert Andreas Berninger das Vorgehen. Sehen und insbesondere Riechen, lautet die Devise. „Amerikanische Faulbrut riecht ungefähr so wie Schweißfüße.“
Die Herausforderungen in diesem Ehrenamt sieht er positiv. „Jede Herausforderung ist spannend“, sagt er. Die größte Herausforderung am Ehrenamt des Bienensachverständigen sei es allerdings, an die Orte zu kommen, dort wo die Bienen angesiedelt sind. „Das fordert viel Material am eigenen Auto“, sagt Andreas Berninger lachend.
Ist die Saison des Untersuchungen vorbei, hält Andreas Berninger im Landkreis Aschaffenburg Schulungen und Vorträge zum Thema Bienen und Bienengesundheit. Denn eines ist ihm, der selbst Bienen der Rasse Carnica züchtet, sehr wichtig: „Bitte nicht einfach Bienen kaufen. Wer sich mit Bienen beschäftigen möchte, sollte sich immer an den örtlichen Bienenzuchtverein wenden. Dort sind kompetente Ansprechpartner vor Ort. Die übernehmen auch Imkerpatenschaften. Da wird keiner allein gelassen.“ Denn, so weisst er hin: „Bienenhaltung ist eine anzeigenpflichtige Nutztierhaltung.“
Auf die Frage, was er sich für die Zukunft seines Ehrenamtes wünsche, weiß er eine Antwort. Ist sich ein Bienensachverständiger nicht sicher in seiner Diagnose, kann er Proben an den Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. schicken. Dort untersuchen Biologen die Proben. Die Kosten dafür übernimmt der Freistaat. „Ich wünsche mir, dass das so bleibt.“
Übrigens: Geleé Royal hat Andreas Berninger bis heute nicht gewonnen – dafür ein erfüllendes und lebenswichtiges Ehrenamt.
Der heute 21-jährige Sagithjan Surendra hat 2017 das Aelius-Förderwerk mit Sitz in Nürnberg gegründet. Das Förderwerk bietet Mentoring- und Förderprogramme, die jungen Menschen Perspektiven schaffen, Impulse setzen, Inspiration geben und als Unterstützer zur Seite stehen. Es richtet sich gezielt an Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien, ihren Bildungsweg unabhängig von der sozialen und finanziellen Situation des Elternhaushaltes selbstbestimmt zu gehen. Sagithja Surendra, der Molekulare Medizin in Erlangen studiert, wurde vor Kurzem vom Deutschen Hochschulverband (DHV) und dem Deutschen Studentenwerk (DSW) zum „Student des Jahres“ ausgezeichnet und ist nun für den Deutschen Engagementpreis 2020 nominiert. Wir haben uns mit dem engagierten Studenten unterhalten
Herr Surendra, warum haben Sie das Aelius-Förderwerk gegründet?
Ich habe in meiner eigenen Biographie und in meinem sozialen Umfeld schnell festgestellt, dass faire Bildungschancen in Deutschland oft nicht die Lebensrealität vieler jungen Menschen ist, die Hürden auf ihrem Bildungsweg zu überwinden haben. Ich habe mit der Zeit auch festgestellt, dass viele Initiativen dieses Problem aufzugreifen versuchen und sich dabei explizit an beispielsweise Menschen mit Migrationsgeschichte richten und/oder sehr lokal agieren. Mein Wunsch war es eine Initiative zu schaffen, die junge Menschen unterstützt ihr volles Potential zu entfalten und das auf bundesweiter Ebene.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, Sie haben auf Ihrem eigenen Bildungsweg viele Hürden überwinden müssen – was heißt das?
Für mich ist ein zentraler Begriff Teilhabe. Das ist auf verschiedenen Ebenen zu sehen – von sozialer Isolation, weil man nicht dieselbe Lebensrealität teilt bis hin zu Dingen, die einem schlichtweg verwehrt bleiben, weil die finanziellen Mittel nicht ausreichen. Theater, Kino, ein Sportverein – das war schlichtweg nicht die Lebensrealität meiner Eltern ganz zu schweigen davon, dass ein Musikunterricht oder Nachhilfe mit Kosten verbunden sind, die es Eltern nicht einfach machen ihr Kind außerschulisch Möglichkeiten der Entfaltung zu bieten.
Wie schauen allgemein Bildungshürden in Deutschland aus?
Bildung in Deutschland ist immer noch stark abhängig von Perspektive. Perspektive, die sich über soziale und finanzielle Faktoren determiniert. Wenn der Anteil an Kindern aus Akademikerfamilien an Universitäten mehr als dreimal so hoch ist wie der an Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien, dann finde ich, dass wir ein strukturelles Problem haben. Ich möchte mich für eine Gesellschaft einsetzen, die jedem jungen Menschen Teilhabe, Perspektive und Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung bietet – unabhängig davon wie und mit welchen Mitteln man aufwächst.
Wie schaut die Arbeit des Aelius-Förderwerks konkret aus bzw. wie engagiert sich ihr Verein, damit Kinder und Jugendliche diese Hürden umgehen können?
Unsere Arbeit gliedert sich auf drei Säulen. Ein ideelles Förderprogramm (IFP), ein Mentoring-Angebot und ein offenes Beratungsangebot. Mit dem IFP bieten wir eine Vielfalt von Workshops und Seminaren zu verschiedensten Themen an – von Lern- und Sozialkompetenztraining über Workshops zum Thema Nachhaltigkeit bis hin zu gemeinsamen Besuchen eines DNA-Labors. Unser Ziel ist es dabei, dass wir gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und dabei gleichzeitig Perspektiven für die persönliche und im weiteren Sinne berufliche Weiterentwicklung bieten. Beim Mentoring-Programm stellen wir jungen Menschen Mentor*innen zur Seite, die die Erfahrung aus ihrem eigenen Bildungsweg teilen, ihr Netzwerk aufzeigen können und so stets eine vertrauensvolle Ansprechperson, Ratgeber und Vorbild sind. Mit dem Beratungsangebot haben wir eine Anlaufstelle aufgebaut für junge Menschen, die sich mit allen Fragen rund um Schule, Studium und mehr an uns wenden können. Gerade die Frage der Studienfinanzierung kommt bei uns oft auf.
Wie bekommt ein Interessierter bei Ihnen ein Förderprogramm?
Grundsätzlich steht unser Angebot jedem jungen Menschen offen. Unsere Workshops werden öffentlich ausgeschrieben oder finden in Kooperation mit Schulen oder Jugendorganisationen statt. Unser Mentoring- und Beratungsangebot steht aber auch sich über unsere Webseite oder Social Media an uns wenden kann.
Wie schaut das Mentoringprogramm aus?
Der erste Schritt beim Mentoring-Programm ist ein Motivationsschreiben, damit wir abschätzen können, wo Bedarf herrscht und welche*r Mentor*in infrage kommt. Wir suchen dann das gemeinsame Gespräch und sprechen über die Erwartungen und leiten einen „Matching-Prozess“ ein. Hierbei achten wir besonders darauf, dass die zeitlichen Erwartungen von Mentee erfüllt werden können, dass die Interessengebiete beieinander liegen. Die Ausgestaltung des Mentorings orientiert sich stark am Bedarf und unterliegt dem kreativen Freiraum von Mentee und Mentor*in. Wir koordinieren und begleiten das Mentoring, bieten begleitende Workshop-Angebote an und evaluieren das Programm regelmäßig.
Wie viele Jugendliche betreut so ein Mentor so bzw. wie viel Zeit verbringt ein Mentor mit einem „Patenjugendlichen“?
Uns ist es wichtig, dass jede*r Mentor*in als wichtige Ansprechperson für die jungen Menschen fungieren kann, sodass ein*e Mentor*in nur eine*n Mentee hat. Wir empfehlen immer, dass man sich mindestens einmal im Monat trifft. Wir haben beispielsweise Bundestagsabgeordnete für die das schon ein Maximum ist, gleichzeitig haben wir Studierende, die wesentlich mehr Zeit investieren können. Das ist ein wichtiger Faktor, der in unserem Matching-Prozess eine Rolle spielt.
Können Sie mir konkrete Beispiele erzählen, was der Mentor/die Mentorin mit dem Jugendlichen macht?
Die Aktivitäten mit den Mentor*innen sind wirklich vielfältig. Wir haben schon die spannendsten Geschichten von unseren Mentees erzählt bekommen – von einem Tag gemeinsam im Berufsalltag, über einen Besuch im Wahlkreisbüro bis hin zum gemeinsamen Kochen ist schon viel dabei gewesen. Besonders freut es uns zu hören, wie das Mentoring für beide Seiten ein gemeinsamer Lernprozess ist und welche Wertschätzung mal entwickelt. Erst kürzlich habe ich mich mit einer Schülerin unterhalten, deren Mentorin ihr Schulsachen geschenkt hat. Es sind besonders so kleine Gesten und Momente, die ich nie erwartet hatte als ich Aelius startete, die mich aber umso mehr rühren.
Wie viele Kinder/Jugendliche melden sich bei Ihnen durchschnittlich im Monat und bitten Ihren Verein um Hilfe?
Die Zahlen variieren da stark – gerade zu Prüfungsphasen oder Semesterbeginn nehmen die Anfragen zu in den Ferienzeiten wieder etwas ab. Wir haben nach 2019 zusammengezählt und festgestellt, dass wir mit unserem Angebot knapp 2.000 Schüler*innen erreicht haben. Dafür, dass wir ein so junger Verein sind, finde ich zeigen die Zahlen, dass definitiv Bedarf herrscht.
Wie finanziert sich Ihr Verein
Wir sind hauptsächlich aus privaten Spenden finanziert. Regelmäßig unterstützen uns Stiftungen für bestimmte Projekte oder unsere Aktivitäten in einer bestimmten Region wie beispielsweise die Bildungsstiftung des Münchner Lehrer*innen-Verbandes, der unsere Arbeit in München unterstützt.
Wie viele Mitglieder hat ihr Verein insgesamt?
Etwa 35. Das sind unsere „aktiven Mitglieder“, die Aelius quasi wie einen Vollzeitjob ehrenamtlich machen. Insgesamt sind es aber mehr als 130 Ehrenamtliche, die für bestimmte Projekte aktiv sind oder sich als Berater*innen und Mentor*innen engagieren.
Was sind die größten Herausforderungen, die Ihr Verein schultern muss?
Ich glaube, dass Zeit und Geld die zwei schwierigsten Faktoren sind. Wir sind alles Studierende oder Auszubildende, die anderweitig viele Verpflichtungen haben. Aelius ist seit der Gründung rasant gewachsen, sodass es als Ehrenamt natürlich eine wahnsinnige Herausforderung ist. Ich bin unendlich dankbar für die vielen Menschen, die trotzdem weiter anpacken, mithelfen und neue Ideen beitragen. Darüber hinaus ist Fundraising immer eine große Hürde. Besonders zu Gründungszeiten hatte ich keinerlei Gründungs- oder Fundraising-Erfahrung und habe meinem Team und mir das alles durch „learning by doing“ beibringen müssen. Wir hoffen mittelfristig darauf, dass wir eine hauptamtliche Geschäftsstelle aufbauen können, um den Ehrenamtlichen etwas Last von den Schultern nehmen zu können. Unser wichtigstes Ziel bleibt unser Programm auszubauen, um mehr Schülerinnen und Schüler zu unterstützen.
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Neben den vielen EinkaufshelferInnen sind derzeit vor allem die Nähergemeinschaften in aller Munde, wenn es um Bürgerschaftliches Engagement in Corona-Zeiten geht. In ihrer Freizeit nähen sie Mund-und Nasen-Masken, um Einrichtungen in ihrer Umgebung tatkräftig zu unterstützen. Wir haben uns mit Maik Lange, einem der Initiatoren einer Nähergemeinschaft im Münchner Stadtteil Nymphenburg, unterhalten.
Servus Maik, erzähl uns doch mal, wie Ihr auf die Idee gekommen seid, ehrenamtlich Masken zu nähen?
Wir sind eine Nachbarschaftsgemeinschaft mit vier Parteien, die sich am 24. März 2020 gründete. Ausgangspunkt war, dass Karine, unsere Haupt-Schneiderin, anfing, zehn Masken für die Erzieherinnen eines Kindergartens bei Bayreuth zu nähen. Als Dessous-Schneiderin („Karine De Cecco“) ist sie prädestiniert für diese Arbeit. Nachdem sie mir das bei einem Nachbarschaftsratsch erzählte, hat es bei mir gleich "klick" gemacht: Ich gründete eine WhatsApp Gruppe mit mehreren Parteien aus der Nachbarschaft des Hauses. Es war ein Gefühl, als würde ich eine Auswärtsfahrt zu einem Spiel der Münchner Löwen organisieren, was ich vor einiger Zeit jahrelang tat.
Wie sahen die Reaktionen aus?
Sofort kamen Nachrichten wie "Wir sind dabei, wie gehen wir es an?". Die ersten Kontakte wurden geknüpft, die ersten Anfragen im Freundeskreis für Stoffspenden und Gummibänder waren raus, Aufrufe in weiteren Freundeskreisen sowie die Social-Media-Foren liefen heiß und es ging sofort los - Schlag auf Schlag!
An wen habt ihr eure ersten Masken denn geliefert?
Einer der ersten Aufträge kam von einem Seniorenheim im Münchner Westen. Ich erzählte, was wir machen, wer wir sind und das wir nix verkaufen, sondern spenden um zu helfen. Damit die Senioren sowie deren Pflegekräfte, Köche und sämtliches Personal der Heime und Einrichtungen gesund und stabil bleiben. Der Leiterin des Seniorenheims flossen die Tränen und schluchzte durch den Hörer, so sehr gerührt war sie von unserer Aktion.
Wie ging’s dann weiter?
Es gab sehr viele Telefonate sowie Aufträge, so fanden es LeiterInnen und Personal klasse, vor allem, dass wir die Gesichtsmasken spendeten. Bei fast jedem Anruf wurde still und leise gefragt „Was verlangen Sie denn für diese Masken?" – es ist eine spürbare Angst in der Stimme zum Vorschein gekommen, die ich aber dann schnell nahm und schon lief alles wie am Schnürchen. Die Aufträge kamen rein, Stoffspenden nahmen kein Ende, Freunde und auch Fremde bestellten einfach. Hauptsache war und ist, dass wir produzieren können. Nach einer Weile fing Linda, die zweite Näherin ebenfalls zu nähen an und es ging munter weiter. Angi, meine Frau und Andy, Lindas Mann, leisten ebenfalls super Vorarbeit.
So ein Engagement kostet natürlich einiges an Zeit. Wie muss man sich den Ablauf denn vorstellen?
Der gespendete Stoff muss gewaschen, gebügelt, vorgezeichnet und ausgeschnitten werden. Es wird durchgehend gearbeitet und geholfen. Ob nach der Arbeit, oder nachdem man die Kinder ins Bett gebracht hat. Es ist wirklich ein Fulltime-Job. Natürlich arbeiten wir stets mit Abstand. Es kommen weiterhin Aufträge ein, sowie Spendenmaterial. Jedes Telefonat mit den Heimen und Einrichtungen sind Gespräche, die ich so schnell nicht vergessen werde. Wenn die Häuser z.B. teilweise kein Schutzmaterial mehr besitzen, am Boden zerstört waren und sehr dankbar waren.
Das zeigt, wie wichtig Euer Engagement ist! Wie stellen sich Deine Aufgaben im Team dar?
Meine Arbeit ist es, Aufträge reinzuholen, Materialspenden zu organisieren und die fertige Ware in die Häuser zu liefern. Dort kommt es auf Abstand immer zu Gesprächen und Lobeshymnen. Unsere vierte Partei im Bunde sind unsere Nachbarn David und Anna, die uns mit Excel-Tabellen und Zuschnitte für die Masken unterstützen.
Eure Nähergemeinschaft lebt fast ausschließlich von Spenden. Woher bekommt ihr diese?
Spendenmaterialien kommen von überall: von Freunden, aus der Fanszene der Münchner Löwen, von Bekannten, von Fremden, Nachbarschaften aus Unterhaching und auch ein Trachtengeschäft spendete Stoffe. Selbst von Pflegeheimen kamen Stoffe, meist Bettlaken. Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch die „Meisterschule für Mode“, welche uns erstklassige Waren gespendet haben! Unser Motto "Spenden von Spenden" läuft in vollen Zügen. Es wurde ebenfalls von Freunden, Verwandten und Bekannten Geld gesammelt wovon Wir mit dieser Summe Gutes tun wollen und den einen oder anderen zu unterstützen in dieser schweren Zeit.
Zunehmende Anfragen bedeuten natürlich auch mehr Arbeit. Wie geht ihr damit um?
Nach der zweiten Woche brachte ich eine Anzeige am Zaun an: "Näherin gesucht". Es lag richtig viel Arbeit auf den Tischen und man wusste nicht, wie es weitergeht. Was treibt dieser Virus, was entscheiden unsere Politiker? Das Nähen und Vorbereiten ist ein Fulltime-Job, was mit Kindern zuhause auf Dauer schwer wird. Wir brauchten Unterstützung und die bekamen wir auch. Es meldete sich ein 14-jährige Münchnerin, die sich mit unserer Hauptnäherin – freilich auf Abstand – traf. Und schon war Sie in unserem Team! Ihre ersten Masken ging an einen Kinderarzt. Ebenso haben uns auf die Anzeige hin zwei Damen aus der Nachbarschaft beim Nähen geholfen.
Sehr stark! Wie sehen Eure Planungen für die kommenden Wochen aus?
Wir suchen weiterhin Kontakt zu Seniorenheimen, Altenpflegeheimen, Kliniken, diverse Einrichtungen von Blinden und Behinderten, Jugendheimen, Kinderheimen, Bürgerheimen für Senioren. Hier begrenzen wir uns nicht nur auf München, sondern nehmen auch Einrichtungen im Umland sowie im Oberland und auch Richtung Rosenheim ins Visier. Am kommenden Wochenende wird die 800 Maske über den Tisch gehen. Es geht weiter, immer weiter...
Dann wünschen wir Dir und Deinem Team weiterhin viel Freude und Kraft bei Eurem wichtigen Engagement! Danke fürs Gespräch!
Na, auch Lust aufs Masken-Nähen bekommen? Dann folgt einfach der Anleitung des Bayerischen Rundfunks! Viel Spaß – sie werden dringend gebraucht!
07. April 2020 - Schülerinnen und Schüler gegen Einsamkeit
Wie kann man in Zeiten von „Social Distancing“ und „Flatten the Curve“ Menschen trotzdem nah sein? Vor allem denjenigen, die in Pflege- oder Altenheimen in besonderer Weise ein Bedürfnis nach Nähe und Austausch haben? Diese Frage stellte sich Karlheinz Seefeld, Lehrer an der GMS Thalmässing gemeinsam mit seinen Schülerinnen und Schülern der zweiten Klasse.
Herausgekommen ist dabei ein wirklich tolles Projekt, das in Zeiten der Krise Jung und Alt zusammenbringt: Die Zweitklässler schreiben Briefe, malen Bilder, schicken diese dann in die Alten- und Pflegeheime und sorgen so für eine kleine Freude in den einsamen Zeiten.
Eine im Grunde simple Idee, die aber ihre Wirkung umgehend entfaltet. Viele der Heimbewohner haben sich bereits mit einem Antwortschreiben bedankt - wer weiß, vielleicht entstehen hier sogar generationenübergreifende Brieffreundschaften!
03. April 2020 - Menschliche Wärme
für Senioren trotz Corona dank neuer Ideen
Elvi Reichert aus Erding steht für viele Menschen in Bayern, die sich ohne Institution im Hintergrund selbstständig aus Nächstenliebe für einsame, alte Menschen engagieren. Sie kümmert sich seit 2007 um circa zehn hochbetagte Menschen im Seniorenheim Heiliggeist-Stift in Erding. Elvi Reichert gibt den Bewohnern, die zum Teil keine Angehörige mehr haben, Nähe, hört ihnen zu, tröstet sie. Genau das versucht sie auch in der Corona-Krise – mit den räumlichen und sozialen Möglichkeiten, die ihr zu Verfügung stehen. Leider sind das nicht viele. Sie stellt fest: „Die Senioren im Heiliggeist-Stift leiden sehr unter der Isolation“. Und deshalb hat sich Elvi Reichert zwei Möglichkeiten überlegt.
Im Normalfall geht Elvi Reichert zwei Mal die Woche in das Haus. Nicht nur sprechen sei wichtig, auch das in den Arm nehmen – die physische Nähe. „Ich möchte, dass die Menschen nicht vergessen werden“. In der jetzigen Situation telefoniert sie mit ihnen. Aber das ersetzt ihr sonstiges Engagement nur annähernd. „Da ist es sehr schwierig, ihnen die Traurigkeit zu nehmen“, erzählt die 66-Jährige. Mit bettlägerigen Menschen kann sie überhaupt nicht telefonieren. „Die können den Hörer nicht halten“, erläutert sie das Problem. „Man kann ihnen nur Briefe schreiben“. Ein weiterführendes Problem der Isolation ist: „Die Menschen haben so viel mitgemacht in ihrem Leben. Durch Isolation kommen schlechte Gedanken noch schneller hoch – und dann ist da niemand da.“
Um die Distanz des Telefons etwas abzumildern, hat sich Elvi Reichert noch zwei andere Möglichkeiten einfallen lassen: Sie packt kleine individuelle Päckchen, für den jeweiligen Bewohner mit Schildchen und Sprüchen versehen. Diese Woche waren Schokolade und Ostereier drin, zu Ostern gibt es Obst. Vor dem Altenheim steht ein Küchenwagen, auf den Angehörige und auch die Ehrenamtliche die Päckchen ablegen.
Wie man es dreht und wendet – die Corona-Krise und die daraus resultierende soziale Isolation ist gerade für alte und einsame Menschen ein großes Problem. Ein riesengroßer Dank geht deshalb an Menschen wie Elvi Reichert, die aus kompletter Eigeninitiative für Menschen in Pflegeheimen da sind und die gerade in der Corona-Situation alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Einsamkeit der Menschen etwas abzumildern.
Das Coronavirus (COVID-19) hat Bayern fest im Griff. Gerade die sogenannte Riskogruppe - Über 60-Jährige und Personen mit Vorerkrankungen - sind durch das neuartige Virus in besonderem Maße gefährdert. Im alltäglichen Leben sind sie daher nun auf Unterstützung angewiesen, so ist der Gang in den Supermarkt oder zur Poststelle mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden.
Viele Menschen engagieren sich deshalb in Spontan- und Nachbarschaftshilfen, um hilfsbedürftigen Nachbarinnen und Nachbarn unter die Arme zu greifen. Beispielhaft sollen für diese brandaktuelle Form des freiwilligen Engagements aus jedem Regierungsbezirk und dem Stadtgebiet München Initiativen vorgestellt werden.
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Oberbayern
Nachbarschaftshilfe Landsberg am Lech Corona-Hilfe: Im oberbayerischen Landsberg am Lech hat die Nachbarschaftshilfe eine Corona-Hilfe gegründet. Die Engagierten haben an vielen Stellen des Ortes Plakate angebracht, auf denen genau beschrieben ist, wie die Hilfe in Anspruch genommen werden kann und welche Köpfe dahinter stecken. Nun können ältere und besonders Schutzbedürftige den Lebensmittelbringdienst in Anspruch nehmen. Über die Hotline 0173 / 26 59 897 (Montag bis Samstag 9 - 12 Uhr und 15 -17 Uhr) können über die Nachbarschaftshilfe Landsberg Bestellungen telefonisch entgegen genommen werden.
Niederbayern
Wir sind Deggendorf: "Wir sind Deggendorf“ und wir sind für alle da! Das ist die Initiative des Fußballvereins Türkgücü Deggendorf. Die Fußballer nutzen ihre spielfreie Zeit, um für die Deggendorfer Bürger da zu sein. Ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen oder chronisch Kranke, die keine Angehörigen haben, können sich an den Verein wenden, um ihre Einkäufe erledigen zu lassen.
Das geht entweder über die Emailadresse: info@turkgucu-degggendorf.de
Coronahilfe Donauwörth: In Donauwörth hat der junge Familienvater Christoph Schober aus Nordheim eine Nachbarschaftshilfe initiiert. Innerhalb von vier Tagen sind der Facebook-Gruppe "Coronahilfe Donauwörth - Nachbarschaftshilfe" bereits über 700 Menschen beigetreten. Wer Hilfe anbieten kann, oder wer Hilfe braucht, kann der Facebook-Gruppe beitreten und wird dann von Christoph Schober auf der entsprechenden Liste vermerkt. Es werden in der Gruppe Hilfe bei den Hausaufgaben, beim Einkaufen, bei der Kinderbetreuung, beim Kochen oder auch beim Gassi gehen mit dem Hund angeboten.
Oberpfalz
Seniorenmosaik: Das Seniorenmosaik im Naturpark Hirschwald bietet für Bürger der Gemeinden Schmidmühlen, Rieden, Hohenburg und Kastl sowie die Gemeinden Kümmersbruck, Ensdorf, Ebermannsdorf und Ursensollenbbei Bedarf die Möglichkeit der Lebensmittel- und Medikamentenlieferung. Das Angebot richtet sich an Erkrankte oder gefährdete Personen, die ihre Wohnung nicht verlassen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Das Seniorenmosaik arbeitet dabei auch mit den jeweiligen Kommunen und den Nachbarschaftshilfen zusammen.
Mittelfranken
1. FC Nürnberg: Der 1. FC Nürnberg möchte Menschen ab 60 Jahren, Bedürftigen, Vorerkrankten, Menschen mit gesundheitlichen, körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die zur Corona-Risikogruppe gehören und jetzt besonders auf Beistand angewiesen sind, durch Einkaufshilfe unterstützen. Die Mannschaft selbst ist in Quarantäne. Sie kann dabei nicht helfen. Aber die Club-Mitarbeiter, die nicht mit dem Team in Kontakt waren, und auch Fans des 1. FC Nürnberg kommen zum Einsatz. Ultras Nürnberg und ihr „Nordkurve für Nürnberg e. V.“ helfen beim Ausfahren der Einkäufe.
Weitere Engagements aus Mittelfranken:
Lauf an der Pegnitz: Während der Corona-Krise haben viele der Tafeln in Bayern geschlossen – so zählen die angestammten Helferinnen und Helfer oftmals zur sogenannten Risikogruppe und können die Lebensmittelausgabe zurzeit nicht begleiten. Viele Menschen sind aber gerade jetzt auf Unterstützung angewiesen! In Lauf an der Pegnitz hat sich daraufhin ein breites Bündnis bestehend aus einigen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, dem Jugendrat Lauf, zweier Stadträt*innen, der Kolpingjugend Lauf und dem Schülerspielmannszug der Stadt Lauf zusammengetan und eine beeindruckende Alternative auf die Beine gestellt: Eine Nachbarschaftshilfe für Bedürftige.Per ehrenamtlichen Lieferdienst werden die Lebensmittel – freilich unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienebestimmungen – nun direkt zu den Menschen nach Hause gebracht.
Oberfranken
1. FC Mitwitz 1921: Die aktiven Vereinsmitglieder des 1. FC Mitwitz 1921 bieten einen Einkaufsservice an. Das Angebot richtet sich an alle Corona-Risikopatienten, wie ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen in Mitwitz und allen Ortsteilen (Oberfranken, Landkreis Kronach). Die Bestellungen nehmen Freddy Braunersreuther (Telefon: 0173/5805932 oder Email: Freddy.Braunersreuther@web.de) und Boris Prediger (Telefon: 0160/90525103 oder Email: prebo81@gmx.de) entgegen.
Unterfranken
Helfen statt Zuschauen: In Wollbach (Landkreis Rhön-Grabfeld) will die Jugend unter dem Motto "Helfen statt Zuschauen" in den nächsten Wochen ihre freie Zeit nutzen, um für Mitmenschen da zu sein. Initiiert hat die Aktion das "Räumle Wollbach" - eine Vereinigung von rund 20 volljährigen Jugendlichen. Wer aufgrund des Alters oder aus sonstigen Gründen zur Risikogruppe zählt, allgemein auf Unterstützung angewiesen ist oder wer sich in Quarantäne befindet, kann sich an die Räumle-Gruppe wenden.
Neben den Aushängen in den Schaukästen werden Handzettel in die Haushalte getragen, sodass die Aktion alle Bewohner erreicht.
Unkomplizierten Kontakt können Hilfsbedürftige über Linus Reder aufnehmen:
Telefon.: 0151/15422325 oder per Email: raeumle.hilft@web.de
Stadtgebiet München
Münchner Freiwillige - WIR - helfen: Der Verein "Münchner Freiwillige - WIR - helfen", der sich für Flüchtlinge engagiert, hat die Spontanhilfe-Hotline Corona ins Leben gerufen. Die Hotline nimmt Bedarfe für kleinere Besorgungen für Lebensmittel, kleinere Besorgungen für Drogerieartikel, Beschaffung von Medikamenten auf Rezept und das Aufgeben von dringlicher Post entgegen. Unter 089 46132983 kann die Hotline von Montag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr erreicht werden.
25. Februar 2020 – Ehrenamt in familiärer Atmosphäre!
Als 1987 die „Giggalesbronzer“ aus Weißenhorn im Landkreis Neu-Ulm gegründet wurden, war Guggenmusik in Bayern noch unbekannt. Die Tradition stammt aus dem alemannischen Raum und ist eine stark rhythmisch unterlegte und speziell „falsch“ gespielte Blasmusik, die im Fasching ertönt. Früher wurde sogar auf verbeulten, selbst gebastelten Fantasie-Instrumenten, Gießkannen oder Ofenrohren gespielt. Wir haben mit Organisator und Leiter der Giggalesbronzer, Philipp Hofmann, gesprochen.
Wird immer noch auf Gießkannen und Gartenschläuchen musiziert?
Nein, das ist heute nicht mehr der Fall. Früher gab es beim internationalen Guggenmusik Treffen in Schwäbisch Gmünd noch den Preis für das tollste selbstgebaute Instrument. Die Guggenmusik hat sich mit der Zeit gewandelt und es kommen bei uns heute die typischen Instrumente der Guggenmusik (Trompeten, Posaunen, Sousaphone, Schlagzeug, Pauke, Cymbals, Waschbretter) zum Einsatz.
Brauchen Sie Noten?
Ja, beim Einstudieren der Lieder kommen normale Noten zum Einsatz. Diese sind natürlich entsprechend an die Bedürfnisse und Kenntnisse der Guggenmusik angepasst. Bei den Auftritten kommen aber keine Noten zum Einsatz. Wir haben bei uns einen großen Teil an Musikern, die gar keine Noten können. Etwa drei Viertel der Gruppe kam erst beim Einstieg in die Guggenmusik mit Noten in Berührung und musste die Stücke mühsam erlernen.
Wer näht die aufwendigen Kostüme?
Die Kostüme werden in einem Kostümausschuss erarbeitet und ausgestaltet. Dieser erstellt auch entsprechende Schnitte und Nähanleitungen. Grundsätzlich ist dann jeder selbst für das Nähen verantwortlich. Ob eigenhändig oder mit professioneller Hilfe, bleibt jedem selbst überlassen.
Was macht das ehrenamtliche Engagement bei einem Guggenmusikverein aus?
Wir sind eine tolle Truppe und unser Motto lautet „Kennst du Einen, kennst du Alle“. Unsere Gruppe zeichnet einen tollen und fast schon familiären Zusammenhalt aus.
Welches ehrenamtliche Engagement läuft im Hintergrund ab? Finden sich dafür viele Engagierte?
Es gibt viele Veranstaltungen unseres Hauptvereins IWF bei denen wir mithelfen. Der Entwurf bis zur Ausgestaltung neuer Kostüme fordert einen sehr hohen Zeitaufwand. Ebenso ist die Aufbereitung der Stücke sehr aufwendig wie die Organisation der Termine. Durch unseren tollen Zusammenhalt finden sich aber für die verschiedenen Aufgaben immer genügend Helfer.
Wie viele Stunden Arbeit ehrenamtliche Arbeit steckt jedes Mitglied im Durchschnitt pro Woche in den Verein?
Das kommt je auf die Aufgabe des einzelnen an. Durch Musikproben und Üben ensteht schon ein gewisser Aufwand für jeden Einzelnen. Die mit Verantwortung beauftragten, die sich mit allen Themen rund ums Vereinsleben beschäftigen, sind schon einige Stunden pro Woche beschäftigt.
Haben Sie Nachwuchssorgen?
Im Moment nicht. Wir haben diese Saison vier neue Mitglieder dazu bekommen. Es ist natürlich trotzdem eine Herausforderung, neue Mitglieder zu den jeweils passenden beziehungsweise im Moment benötigten Instrumenten zu bekommen. Eine ausgewogene Besetzung der Register ist sehr wichtig.
Wie schaut die Zeit zwischen Aschermittwoch und 11. November bei den „Giggalesbronzer“ aus?
Ab dem Aschermittwoch tut erstmal eine gewisse Erholung gut. Das Hobby ist sehr anstrengend und viele haben nach der Fasnacht erstmal eine ordentliche Erkältung oder andere Leiden, welche kuriert werden müssen. Bis zum Sommer ist dann erst einmal Pause mit einer Musikprobe im Monat. Ab September beginnt dann die Probensaison mit einem Probenwochenende an dem neue Lieder einstudiert werden. Danach finden wöchentlich Proben statt. Die Fasnacht beginnt für uns mit dem „Fasnachts-Opening“ am Giggaler. Dieses findet traditionell am ersten Wochenende nach dem Heilig-Drei-König statt.
Was sind die größten Herausforderungen des ehrenamtlichen Engagements in Ihrem Verein?
Unsere Hauptsaison ist durch die kurze Länge der Fasnachtszeit natürlich sehr geballt mit Terminen. Da ist es natürlich schon eine Herausforderung, alle Termine und anderen Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen. Bei den Verantwortlichen ist es eine immer größere Herausforderung, sich mit den immer höreren Anforderung an Bürokratieund auflagen auseinanderzusetzen. Auch was Verantwortung und Haftung betrifft.
21. Februar 2020 – Verein mit Alleinstellungsmerkmal
Was wäre der Fasching ohne seine närrischen Vereine? Nur halb so bunt. Aber nicht nur Faschingsvereine oder – gesellschaften machen die närrische Zeit zu etwas Besonderem. In Kipfenberg ist der Kulturverein „Die Fasenickl“ beheimatet. An Fasching ist er mit den Fasenickeln, der Garde und dem Prinzenpaar aktiv und zwischen Aschermittwoch und 11. November gestaltet er das kulturelle Leben in Kipfenberg, erhält historische Gewänder und macht diese der Öffentlichkeit durch das Betreiben eines Museums zugänglich. Den Brauch des Fasenickllaufens stellt der Verein zudem auch außerhalb der Fastnachtszeit dar. Die Figur Fasenickl hat ein Alleinstellungsmerkmal in der oberbayerischen Region, da sie eigentlich zu den alemannischen Figuren zählt, die überwiegend im südwestdeutschen Raum und in der Schweiz zu finden sind. Wir haben uns mit Andreas Obermeier, Vorsitzender von „Die Fasenickl“ unterhalten.
Lieber Herr Obermeier, stellen Sie sich und „Die Fasenickl“ bitte kurz vor!
Ich heiße Andreas Obermeier, bin schon ziemlich alt, verheiratet und lebe, wie so viele Aktive von „Die Fasenickl“, in Böhming. Ich bin gelernter Koch und Hotelkaufmann und mittlerweile arbeite ich für eine österreichische Firma, die eine Zweigstelle in Regensburg hat. Und wenn ich mich in meiner Freizeit nicht mit dem Maskenbrauchtum im alemannischen Bereich beschäftige, quäle ich meine Mitmenschen mit der Steirischen. Ich bin seit Mitte der 1980er Jahre als Fasenickl aktiv. Der Kulturverein „Die Fasenickl“ wurde am 14. November 1955 gegründet und hat 300 Mitglieder.
Sie sind kein reiner Faschingsverein, sondern ein Kulturverein. Wie schaut ihr Engagement zwischen Aschermittwoch und 11. November aus?
Wir gestalten das kulturelle Leben während dieser Zeit. Unter anderem mit einer mit einer Kunstausstellung mit regionalen Künstlern, die von Palmsonntag bis weißen Sonntag dauert. Wir organisieren ein jährliches Konzert mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt. Wir nehmen am Fischerstechen und am Weihnachtsmarkt teil und wir geben Führungen im vereinseigenen Fastnachtsmuseum.
Wie schaut das ehrenamtliche Engagement für das Fastnachtmuseum im Torwärterhaus aus, das zwischen Mai und Oktober immer sonntags geöffnet hat, aus?
Unser zweiter Vorsitzender kümmert sich sehr viel um das Museum, um es in Schuss zu halten. In nächster Zeit stehen einige Renovierungs- und Verbesserungsarbeiten an. Die Museumsdienste teilen wir intern auf.
Wie viele Stunden ehrenamtliches Engagement steckt jedes erwachsene Mitglied des Vereins pro Woche durchschnittliche in den Verein?
Diese Frage ist unbeantwortbar mit Zahlen. Wir haben monatliche Vorstandssitzungen, einzelne Gruppensitzungen, Festausschusssitzungen bei Narrentreffen, Museumsdienste und Veranstaltungsdienste. Im Grunde ist das locker ein monatlicher Minijob.
Was ist für die Mitglieder von „Die Fasenickl“ das Besondere am Ehrenamt?
Das Besondere an dem Vereinsehrenamt ist, dass der Verein vielseitig ist und man trotzdem versucht, Brauchtum und Moderne zu verbinden.
Das sichtbarste Engagement ihres Vereins für den Außenstehenden sind die Gardetänzer, das Prinzenpaar und natürlich die Fasenickl. Ist es schwer, Mitglieder zu finden, die dieses Amt übernehmen? Und, im Gegenzug – wie schwer oder leicht ist es, Vereinsmitglieder zu finden, die die wichtige Arbeit im Hintergrund übernehmen?
Es ist wie fast in jeden Verein. Es wird immer schwieriger Leute zu finden und zu begeistern, im Verein einen Posten und Verantwortung zu übernehmen. Wir haben das Glück, dass wir immer wieder Leute aus dem aktiven Pool finden, die sich dazu bereit erklären. Die Prinzenpaarsuche gestaltet sich so ziemlich am schwierigsten. Allerdings haben wir da ein Team, das immer wieder Unmögliches schafft.
Das Thema Digitalisierung im Ehrenamt ist in aller Munde – auch ein großes Thema bei „Die Fasenickl“?
Bei uns tanzt und schnalzt noch immer der Mensch, aber für die Musikzusammenstellung und das Schneiden haben wir Spezialisten. Die Musik der Gardetänzer kommt vom Tablet. Im Museum soll in Zukunft mehr mit digitaler Technik gearbeitet werden. Auch als Hüter des Brauchtums muss man mit der Zeit gehen
Was sind die größten Herausforderungen des ehrenamtlichen Engagements in Ihrem Verein?
Man investiert schon sehr viel Zeit und Nerven. Auch die Auflagen verschiedener Ämter und Institutionen bringen einen immer wieder ins Schwitzen. Und ganz am Ende, wenn alles vorbei ist, kommt das Finanzamt und hält die Hand auf. Die Suche nach Trainern ist zudem nicht zu unterschätzen. Aber da sind wir momentan sehr gut aufgestellt. Während der Faschingszeit müssen verschiedene Gruppen zusammenspielen und bei Laune gehalten werden. Meine Hochachtung gilt unseren Aktiven-Leiter und deren Aktive, die sich ein halbes Jahr vorbereiten und schließlich die Faschingszeit mit vielen Auftritten bestreiten.
19. Februar 2020 - Einmal infiziert, immer begeistert!
Der Fasching ist bunt, fröhlich und er fördert durch den Frohsinn den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Jedoch wäre der Fasching wahrscheinlich nur halb so bunt, wenn sich nicht so viele Menschen in Faschingsvereinen engagieren würden. Denn diese Vereine erwecken die närrische Zeit erst recht zum Leben. Das bedeutet aber nicht, dass die Arbeit nur in der heißen Phase des Faschings stattfindet. Faschingsvereine wie „Manschuko e.V.“ arbeiten das ganze Jahr über. Die Mitglieder machen gerade die Arbeiten über das Tanzen hinaus mit viel Hingabe und Freude. Sie sagen über sich selbst: „Im Präsidium und Komitee sind oft frühere aktive Tänzer oder Prinzenpaare. Manschuko ist in dieser Hinsicht wie ein Virus: Einmal infiziert, immer begeistert.“
„Mandschuko“ hätte er ursprünglich bei der Vereinsgründung 1967 heißen sollen. Der damalige Schriftführer vergaß allerdings einen Buchstaben und so heißt der Manchinger Faschingsverein seit seiner Geburtsstunde „Manschuko.“
„Die Idee kam auf, weil ich hörte, dass der Name Manching von Mandicho abgeleitet wurde. Später erfuhr ich, dass es in China die Mandschurei, das Siedlungsgebiet des Volkes der Mandschu gibt. Man spricht ihnen gute Manieren und zuvorkommendes Benehmen gegenüber Fremden zu, was ja auch zu Manschuko passt“, zitiert Regina Appel, die über Manschuko berichtet, Rudi Mannel – eines der sieben Gründungsmitglieder, die 1967 die ersten Gespräche zur Vereinsgründung führten und die Faschingsgesellschaft zunächst ohne Satzung gründeten. 1968 schließlich wurde das erste Vorstandsteam gewählt. Das war aber nicht die Geburtsstunde des Manchinger Faschingstreiben. Schon 1903 war der Fasching hoch angesehen – davon zeugt eine Faschingszeitung, die von unregelmäßig stattfindenden Narrenhochzeiten berichtet. Ein besonderes Fest, das Manschuko gegenwärtig alle zehn Jahre veranstaltet.
Aber zurück ins vergangene Jahrtausend. 1958 gründeten die Manchinger Vereine ein Faschingskomitee und bis 1961 gab es viele Veranstaltungen und Prinzenpaare. Danach fanden sich keine Nachfolger mehr, bis 1967 sieben Menschen die Initiative ergriffen, so dass 2017 Manschuko sein 50. Jubiläum mit einem mehrtägigen Fest im Sommer feierte.
Derzeit hat Manschuko 420 Mitglieder, von denen sich 118 in Garde, Präsidium, Ehrenrat und Jugendtanzgruppen engagieren oder sich als Trainer und Moderatoren aktiv einbringen. Die erwachsenen Mitglieder investieren in der Faschingszeit zwischen 15 und 20 Stunden in der Woche für den Verein.
„Auch davor und danach steht das Vereinsleben nicht still. Wir bereichern im Jahresverlauf den Ort Manching mit Festen wie dem Weinfest oder beteiligen uns am verkaufsoffenen Sonntag und am Adventsmarkt. Außerdem gilt es, den Fasching zu planen und vorzubereiten“, berichtet Regina Appel über die Aufgaben. Das geht es um die Ausgestaltung der einzelnen Veranstaltungen, die Auftrittskoordination, das Finanzielle und Schriftliche sowie der kreative Part mit der Entwicklung der Choreographien und Kostüme sowie Frisuren und Make Up. Nicht zu vergessen das Training der tanzenden Mannschaft. Schnell seien so außerhalb des Faschings drei bis fünf Stunden pro Woche in den Verein investiert.
All diese Arbeiten übernehmen die Mitglieder im Präsidium und Komitee. „Hier gibt es je nach Begabung und Interesse vom Kassier bis zum Schriftführer, vom Hofmarschall bis zum Tontechniker, viele Aufgaben zu verteilen,“ erzählt Regina Appel. Auch die Gestaltung der Vereinszeitung „Manschuko aktuell“ sowie Marketingmaßnahmen, Sponsorensuche und – Betreuung nehmen einen großen Aufgabenblock ein. Aber auch weitere helfende Hände, die nicht im Präsidium und im Komitee aktiv sind, beteiligen sich bei vielen Gelegenheiten wie dem Faschingsumzug, beim Weinfest oder der Pinguinbar mit.
Helfende Hände zu finden sei weniger schwer. Denn: „Im Präsidium und Komitee sind sehr oft frühere aktive Tänzer oder Prinzenpaare. Manschuko ist in dieser Hinsicht wie ein Virus, einmal infiziert, immer begeistert.“
Was wäre ein Faschingsverein ohne seine Tänzer? Seit 40 Jahren setzt Manschuko, als einzige Garde in der Region, auf die Kombination „Elf Gardemädchen tanzen mit elf Gardeburschen“.
„Da in den Jugendtanzgruppen ausschließlich Mädchen aktiv sind, ist es in der Regel einfacher die Mädchen für die Garde zu begeistern. Bei den Burschen bedarf es meist etwas mehr Überzeugungsarbeit.“
Das Amt des Prinzenpaares konnte der Verein in den vergangenen Jahrzehnten immer erfolgreich besetzen. Manchmal gehe es ganz schnell und es ist ein geeignetes Pärchen gefunden und dann gibt es Interessenten, bei denen sich beruflich oder privat Änderungen ergeben, die plötzlich nicht mehr mit dem Wunsch Prinzenpaar vereinbar sind, und somit die Suche von vorne beginnt.
Nachwuchssorgen hat Manschuko hingegen kaum. „Das Interesse der Kinder ist sehr groß. Nicht immer gelingt es, in diesem Bereich die Nachfragen abzudecken. Manchmal muss auch etwas Geduld mitgebracht werden, um dann schlussendlich mittanzen zu können.“
Seit 1970 investiert Manschuko viel Zeit und Lieben in die Nachwuchsarbeit. Prägend war dabei die langjährige Trainerin Traudl Kaulfuß, die den Manschuko-Ballettgruppen 25 Jahre Jahre das Tanzen in Form von Ballett lehrte. Nach dieser Ära fanden sich immer wieder engagierte Personen, die sich sehr für den tänzerischen Nachwuchs einsetzen. Da sich irgendwann der Zeitgeist und der Anspruch an das Programm geändert hatten, wurde der Name geändert und das Training entsprechend angepasst. Aktuell tanzen 57 Mädchen in fünf Gruppen bei den Manschuko-Jugendtanzgruppen, die von drei Trainerinnen zwischen April bis Anfang Januar einmal pro Woche betreut werden.
Gerade in der Jugendarbeit macht sich die Erleichterung durch die Digitalisierung bemerkbar. Via WhatsApp werden gerade in der heißen Phase die Eltern immer schnellst möglich informiert und erinnert, so dass bei der Vielzahl der Auftritte kein Termin vergessen wird. Der Verein hat zudem die Onlinepräsenz weiter ausgebaut in Form der eigenen Homepage oder soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram. „Wir sind in den Medien vertreten und pflegen die Einträge auch regelmäßig, um interessant zu bleiben.“
Das Besondere am Ehrenamt für die Mitglieder von Manschuko machen zwei Komponenten aus.
„Das ist zum einen der soziale Gedanke“, sagt Regina Appel. „Die Förderung von Kindern und Jugendlichen, gemeinsam etwas zu schaffen, sich für die Allgemeinheit einzusetzen und Freundschaften zu pflegen.“ Der Verein lebt den Teamgeist und die Kreativität.
„Zum anderen ist es die Aufgabe, Brauchtum zu pflegen sowie Veranstaltungen anzubieten, ohne die sonst etwas fehlen würde im gesellschaftlichen Leben.“
Dabei stellt sich der Verein in seinem bürgerschaftlichen Engagement immer wieder schwierigen Aufgaben. Die Erwartung von guter Unterhaltung und tollen Faschingsumzügen in Einklang zu bringen mit diversen Vorschriften sei die größte Herausforderung.
Der größte Wunsch der Vereinsmitglieder von Manschuko ist weiterhin viel Aktive zu finden, die mit Herzblut dabei sind und den Verein sowohl mit Tradition weiterführen als ihn auch für die Zukunft zuschneiden, um so als Verein und Faschingsgesellschaft weiterhin attraktiv zu bleiben.
Die Fragen beantwortete Regina Appel von Manschuko e.V.